Looking for Truth – Blogger vs Mainstream Media

Gabriele Muellner

Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben. – André Gide, französischer Schriftsteller.

Private Weblogs bieten seit der Entstehung des World Wide Web ein interessantes Potenzial zur Bereitstellung und Verbreitung von Wissen, Meinungen und Informationen zu einem breiten Themenspektrum auf der ganzen Welt. Im Jahr 2013 wurden bereits über 152 Millionen Blogs (1) im gesamten Internet verzeichnet und deren Anzahl steigt weiterhin massiv an. Heute gehören Blogger, WordPress und Tumblr zu den bedeutendsten Plattformen, die unter anderem mit sozialen Netzwerken wie Facebook und Microblogging-Seiten wie Twitter parallel verwendet werden, und es ermöglichen, Inhalte abseits der Mainstream-Medien zu teilen. Diese Inhalte erfassen eine Vielzahl an Themengebieten, wobei sich nach der Jahrtausendwende viele Blogger verstärkt für öffentlich relevante und politische Themen einzusetzen begannen und versuchten unterdrückten Menschen eine Stimme zu geben. Diese Blogs fungieren als Informationsquelle sowohl für betroffene Personen innerhalb von Krisengebieten und Ländern mit eingeschränkten Rechten wie zum Beispiel die Meinungsfreiheit, als auch für Beobachter von außerhalb.

Ein besonders aktuelles Beispiel stellt die derzeitige Krise in der Ukraine dar. So berichtete Oksana Romaniuk, eine ukrainische Bloggerin und Aktivistin, dass sich Personen, vor allem im Osten der Ukraine, immer öfter an lokale Medien wenden, sowie sich anhand von Blogs, Online Streams und sozialen Netzwerken über die Vorfälle in ihrem Land informieren und auch auf diesen Kanälen die Berichterstattung selbst in die Hand nehmen. Dadurch entsteht ein Pool an Meinungen und Informationen von lokalen Personen und Journalisten, denen von Teilen der Bevölkerung mehr Vertrauen entgegen gebracht wird, als den staatlichen Medien oder Berichten über die Lage der Ukraine aus dem Ausland. Es wird also davon ausgegangen, dass gewisse Konflikte in den Mainstream-Medien grundsätzlich anders dargestellt werden, als diese wirklich vorgefallen sind. Ob und wie sehr sich die Darstellung gewisser Vorfälle zwischen Mainstream-Medien unterschiedlicher Länder und Bloggern aus der Region unterscheidet, soll nun anhand eines kurzen Vergleichs dargestellt werden. Dazu wurde ein spezifischer Vorfall ausgewählt, der in den ukrainisch-, russisch- und deutschsprachigen Medien für großes Aufsehen bei Medienkonsumenten und Bloggern sorgte. Dieser Vorfall bezieht sich auf das Referendum und die Angliederung der Krim an Russland im März 2014. Zum Vergleich wurden ausschließlich Berichterstattungen von Online Zeitungen im Zeitraum vom 16. bis 18. März herangezogen. Nachberichte, die etwa erst Wochen später herausgegeben wurden, werden hier nicht beachtet.

Wie über das Referendum in verschiedenen Ländern in Online Zeitungen berichtet wurde (2)

Deutschsprachige Zeitungen (Österreich und Deutschland) (3)

Die österreichischen und deutschen Zeitungen berichteten grundsätzlich über das Referendum, jedoch stellten diese das Ergebnis und dessen Legitimität prinzipiell in Frage und brachten Argumente dagegen. Eher selten wurden Gründe, welche für das Referendum sprachen, behandelt und als mögliche Sicht auf die Ereignisse dargestellt. Diese Argumente fielen über die verschiedenen Zeitungen hinweg ähnlich aus und einige der Prominentesten lauteten in etwa:

  • ausschließlich rechte Politiker als Wahlbeobachter vor Ort bzw. Politiker, die mit Putin und seiner Politik sympathisieren
  • (ausländische) Wahlbeobachter bzw. OSZE-Beobachter wurden nicht auf das Gebiet der Krim gelassen
  • Verwendung von transparenten Glasurnen und keine Wahlumschläge
  • russische Soldaten besetzten die Krim, speziell die Wahllokale, als Einschüchterung der Krim-Bewohner

 Es herrscht ein zeitungs- aber auch medienübergreifender Konsens, dass das Referendum (von Russland) manipuliert wurde und daher die Angliederung an Russland eine rechtswidrige Annexion bzw. Einmarsch Russlands darstellt. Daher wird das Referendum und die Angliederung auch generell als Provokation seitens Russlands gegen die Ukraine und Europa allgemein angesehen. Die meisten Zeitungen verwendeten weiters ähnliche bis vollständig identische Argumentationen und Wortwahl, was wohl auf die gemeinsame Verwendung von Presseagenturen wie APA, dpa und andere zurückzuführen ist. Die meisten veröffentlichten Artikel beziehen sich außerdem auf Berichte und Informationen der ukrainischen Regierung und Behörden.

Ukraine

Die ukrainischen Zeitungen berichteten, ebenfalls wie deutschsprachige Quellen, dass besagtes Referendum stattgefunden hat, es aber nicht anzuerkennen sei, da gewisse Vorschriften nicht eingehalten wurden. Allen voran wurde hier die Präsenz von russischen Soldaten und russischer Propaganda auf der Krim vor und während des Referendums genannt. Allerdings wurden nicht nur Gründe, die gegen das Referendum sprechen angeführt, sondern auch (ausländische) Journalisten, Bewohner der Krim und Beteiligte der Wahlkommission zitiert und interviewt, die sich für die Legitimität des Referendums und die Angliederung an Russland aussprachen und ihre Angst vor der neuen Regierung in Kiew zeigten. Weiters ist auffallend, dass, obwohl ein grundsätzlich negativer Unterton gegen das Referendum in Zeitungen zu beobachten ist, Bilder und Berichte von den Feierlichkeiten über die Angliederung an Russland trotzdem verbreitet wurden. Einige Berichte über das Referendum wurden allerdings in Zusammenarbeit mit westlichen Medien und Unternehmen verfasst und nicht ausschließlich von ukrainischen Behörden und Journalisten.

Russland

Russlands Zeitungen berichteten vom Krim-Referendum und der Angliederung an Russland positiv und unterstützend und loben die Tatsache, dass die Bevölkerung der Krim eine Möglichkeit geboten bekommen hat, über ihre Zugehörigkeit selbst bestimmen zu können. Das Ergebnis wurde als Wille der Krim-Bevölkerung respektiert und als legitim anerkannt. Gegenstimmen, die etwa den großen Prozentsatz der Zustimmung für die Angliederung an Russland anzweifeln, wurden unter anderem mit der zuvor stattgefundenen Umfrage entkräftet, da deren Ergebnis mit dem des Referendums in etwa übereinstimmte. Als Grund, warum die Krim-Bevölkerung sich Russland anschließen will, wurde die Unzufriedenheit mit der momentanen Regierung und deren Politik in der Ukraine genannt. Des Weiteren wurden Anschuldigungen westlicher und ukrainischer Politiker und Journalisten thematisiert sowie Sanktionen des Westens als eine nicht angemessene Reaktion auf das Referendum dargelegt. Auffällig ist ebenfalls, dass geschichtliche Hintergründe sowie der hohe Prozentsatz an russischen bzw. russischsprachigen Teilen der Krim-Bevölkerung in Zeitungen erklärt wurden. Überlagerungen gab es mit deutschsprachigen und ukrainischen Zeitungen eher weniger, bis auf gewisse Informationen (Auswahlmöglichkeiten beim Referendum, russische Soldaten vor Ort, Wahlbeobachter etc.), die aber von allen Seiten jeweils anders ausgelegt wurden. Argumentationen und Wortwahl sind in vielen Zeitungen identisch (oder zumindest ähnlich).

Was Blogger aus und von der Ukraine berichteten

Blogger sind bemüht alle Ergebnisse von Umfragen, die vor dem Referendum stattgefunden haben sowie die Herkunft der Bevölkerung auf der Krim in Zusammenhang zu setzen und daher das Ergebnis zu erklären bzw. zu legitimieren, was Zeitungen in ihrer Berichterstattung oft versäumt haben. Es findet also eine genauere Auseinandersetzung mit den Hintergründen, weshalb gewisse Bevölkerungsteile sich für oder gegen eine Angliederung entschieden haben, statt, sowie warum gewisse Länder das Referendum respektieren oder auch nicht. Argumente der westlichen und auch ukrainischen Medien, warum das Referendum nicht legitim wäre, werden widerlegt und in manchen Fällen als westliche oder auch US Propaganda betitelt. Unter anderem wird die Präsenz von (russischen) Soldaten bestätigt, wie etwa durch Fotos auf Twitter oder Tumblr, so versichern aber viele, dass diese sich friedlich verhalten und das Referendum nicht gestört oder beeinflusst haben. Oft werden auch Berichte von Angehörigen, Bekannten und Freunden der Blogger selbst, die sich zur Zeit des Referendum in der Ukraine oder auf der Krim aufgehalten haben, in Diskussionen eingebracht. Es werden also vor allem direkte Quellen präsentiert und versucht so gut wie möglich alle Seiten und Argumente zu betrachten.

Auffallend ist, dass sowohl pro-westliche als auch pro-russische bzw. ukrainische Blogs den Grund für die Angliederung der Krim an Russland nicht etwa auf Nationalismus und den Unterschied zwischen Ost- und West-Ukraine zurückführen, sondern wirtschaftliche und finanzielle Gründe dafür verantwortlich machen, die in den Mainstream-Medien nur am Rande erwähnt werden, sofern dieser Argumentation überhaupt Beachtung geschenkt wird. Blogger, die das Referendum und die Angliederung der Krim an Russland als nicht legitim ansehen, basieren ihre Diskussion darüber teilweise auf jenen Argumenten, die bereits von deutschsprachigen und ukrainischen Medien gebracht wurden.

Welche Darstellung nun der Wahrheit entspricht, kann wohl niemand aus der Entfernung und ohne direkte Gespräche mit Betroffenen hundertprozentig entscheiden. Jedoch zeigt dieser Vergleich, dass staatliche Mainstream-Medien nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland jeweils ihre eigenen Versionen des Geschehenen berichten. In diesem aufgezeigten Beispiel der Ukraine schafften es Blogger sogar viele Argumente der Medien zu entkräften. Speziell die Meinungen und Berichte von Betroffenen und deren Angehörigen, die einen großen Beitrag zur Wahrheitsfindung leisten könnten, finden in vielen Mainstream-Medien kein Gehör, werden nicht in den Medien dargestellt oder gar absichtlich geblockt. Diese fehlende Berichterstattung verbreitet bei den meisten Bloggern auf allen Seiten Unmut, der ebenfalls von Kommentatoren in Foren von Online Zeitungen aufgegriffen wird. Dieser Unmut zeigt sich beispielsweise durch Verlinkungen in Online Foren der Zeitungen zu Blogs mit Informationen, die in den Mainstream-Medien nicht beachtet werden, mit Hinweisen darauf, diese zu verbreiten. So soll auf die aktuelle Berichterstattung indirekt Druck ausgeübt werden. Natürlich kann manche unzureichende Berichterstattung damit erklärt werden, dass vor allem Zeitungen noch in alten medialen Mechanismen arbeiten und ihre Botschaften verkürzen. Dies geschieht aufgrund von Platz- oder Zeitmangel aber auch aufgrund der unterschiedlichen Interessen, die von großen Medienkonzernen verfolgt werden. Blogger hingegen haben durch ihre Unabhängigkeit und die technischen Möglichkeiten des Internets die Chance, mehr Raum für Diskussionen, gegensätzliche Meinungen und Informationen aus erster Hand zur Verfügung zu stellen. Dieses Potential haben in den letzten Jahren auch Online-Zeitungen erkannt und begonnen, Journalisten eigene Blogs zu bestimmten Themen bereitzustellen oder Kommentar-Funktionen einzuführen.

Es ist also wichtig nicht ausschließlich eine Seite als Informationsquelle heranzuziehen, sondern vielmehr kann gerade der freie Zugang zum Internet und die darin herrschende Meinungsfreiheit dazu genutzt werden, die Objektivität der Berichterstattung zu hinterfragen aber auch selbst dazu beizutragen. Daher müssen Weblogs sowie der freie Zugang zum Internet so gut wie möglich geschützt werden, um selbst Personen in Europa eine Möglichkeit zu geben, sich über politische Themen, Vorfälle und Erlebtes in Krisengebieten zu informieren sowie Fehlinformation seitens der Mainstream-Medien zu erkennen. Weblogs stellen somit ein wichtiges, von freier Meinungsäußerung geprägtes Gegengewicht zu Regierungen, Organisationen und Unternehmen dar.

Anmerkungen:
(1) Geschätzte Anzahl der Weblogs durch unterschiedliche Unternehmen und Plattformen, da eine konkrete Zahl schwer zu ermitteln ist, etwa durch fehlenden Zugang zu entsprechenden Daten.
(2) Das Ergebnis ist vorrangig eine Betrachtung von staatlichen bzw. staatsnahen Mainstream-Medien und fassen ausschließlich die Beobachtungen des Autors zusammen.
(3) Wurde zusammengefasst, da hier die Medien grundsätzlich auf einer Linie agieren und sich in ihren Argumentationen eher wenig unterscheiden bzw. auf dieselben Quellen und Argumentationen zurückgreifen.

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