Zensur – (k)eine Lösung?

Clara Puller

“Das Darknet gilt als einer der letzten Orte, in der Recht und Moral nicht zählen: Drogendealer und Waffenhändler bieten unverhohlen ihre Ware an, Hacker handeln mit Überwachungswerkzeugen. Das „finstere Netz“ hat daher einen schlechten Ruf, obwohl es in vielen Ländern auch als Mittel dient, Zensur und Überwachung zu umgehen. Journalisten berichten bisher meist über das Darknet, wenn Ermittlern ein Schlag gegen illegale Foren- und Handelsplätze gelungen ist.” – Daniel Moßbrucker

Drogen-, Waffenhandel sowie der Vertrieb von Kinderpornos,  wenn man über das Darknet spricht, assoziieren viele Menschen diesen Begriff meist mit  negativen Attributen, doch das Darknet „kann“ mehr. Durch die zunehmende Digitalisierung, schwindet das Selbstverständnis von Anonymität und Privatsphäre im World Wide Web, wobei Anonymität in manchen Fällen jedoch (über)lebenswichtig ist.  In vielen Ländern der Welt herrscht strenge Zensur, die einen normalen, zwischenmenschlichen Austausch nicht zulässt. Journalisten in Russland oder China umgehen ebendiese durch die Nutzung von Darknets, Homosexuelle im Nahen Osten können sich vor Moralwächtern schützen und Whistleblower vor jenen Personen oder Organisationen, die sie „verraten“ haben. Jeder Computer verfügt über eine eigene IP – Adresse, wodurch die Nachvollziehbarkeit und Rückverfolgung von angefragten Inhalten sehr einfach ist. Konkret, wenn Daten versendet werden, wird auch die IP-Adresse mitgeschickt, um nachvollziehen zu können, woher die Anfrage stammt. Das Darknet kommt also dann zum Einsatz, wenn ein kontrollierter, nicht lokalisierbarer Austausch stattfinden soll, um sich vor möglichen Konsequenzen zu schützen. Der Anonymisierungsdienst existiert als Teil des Deepweb, welches nicht von normalen Suchmaschinen wie Google und Bing angesteuert werden kann. Das Deepweb ist um einiges umfangreicher als das normale Internet und beinhaltet Informationen, welche nicht frei zugänglich sind oder sein sollen, wie etwa Firmendatenbanken, in denen man die Vernetzung nutzen, aber den Nutzerkreis kontrollieren möchte.

Wie kommt man nun in das Darknet?  Es gibt viele Netzwerke, die den Einstieg in das Darknet ermöglichen. Gängige Dienste sind neben dem The Onion Router (TOR) das Invisible Internet Project (I2P) und das Freenet. Der bekannteste Dienst namens TOR – kurz für The Onion Router – ermöglicht den Zugang zum Darknet, indem er kritische Informationen über eine Vielzahl an gesicherten Servern schleust, bis sich schließlich die Spur zur Quelle des Textes verliert.

Für den syrischen Journalisten Ahmad Alrifaee, welcher mittlerweile in Deutschland lebt, war die Nutzung des Darknet seit 2011 essentiell, um schadlos über die politische Situation in Syrien berichten zu können. Das syrische Regime schränkte die Nutzung sozialer Medien stark ein, Demokratie sowie freie Meinungsäußerungen wurden zu Fremdwörtern und das Darknet wurde somit zu einer sicheren Methode, um Informationen in die Außenwelt zu transportieren. Ohne der Möglichkeit der Anonymisierung wäre die Gefahr jedoch viel zu groß, diese Arbeit betreiben zu können, weshalb die NGO Reporter ohne Grenzen zwei Knotenpunkte im Darknet innehaben, um Reporter und Reporterinnen bei ihrer Arbeit unterstützen zu können.

Das Darknet ist ein Ort, an dem viele Spannungsfelder aufeinandertreffen. Obwohl Netzwerke wie TOR meist aus einer positiven Intention heraus ins Leben gerufen wurden, tummeln sich hier jedoch auch kriminelle Mächte, die die Anonymität des Netzwerkes nutzen, um sich illegal zu betätigen. Der Handel mit Kinderpornographie und Drogen boomt im Darknet und die Ermittlungen gegen ebendiese Seiten benötigen sehr viel Energie und Ressourcen. Der Punkt ist jedoch, dass das Darknet viel mehr zu bieten hat, als das worüber die Medien berichten. Für Menschen wie Ahmad Alrifaee ist diese Form der Kommunikation ein Grund, weshalb sie heute noch leben.

Eine weitere dunkle Seite im WWW, für die man keine speziellen Server benötigt und welche sich nicht in verschlüsselten Netzwerken abspielt, sind Falschmeldungen. Spätestens seit dem Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl 2016 in den Vereinigten Staaten werden sogeannte Fake News heftig diskutiert und unter anderem als einer der Hauptgründe genannt, weshalb Donald J. Trump die Wahlen schließlich gewann.

Fake News sollten hier von sogenannten Alternative Facts unterschieden werden: Unter Fake News versteht man absichtlich gestreute Falschmeldungen oder Aussagen mit einer bestimmten, häufig politischen Intention oder angetrieben durch bloßen Spaß an der Irreführung von Internetnutzern. Im Gegensatz dazu glauben Autoren von Alternativen Fakten daran, dass das, was sie sagen oder schreiben, wahr sei. Ihre Geschichte wird meist um einen Fakt aufgebaut und stellt somit eine alternative Realität dar, die für den Erzähler auch existiert.

Mithilfe von sozialen Netzwerken können Falschmeldungen eine enorme Reichweite generieren, denn durch das daraus resultierende Echo kommt es mitunter auch vor, dass diese Fake News im journalistischen Bereich aufgegriffen und publiziert werden. Die Möglichkeit mittels Fake News gezielt Falschinformationen zu streuen, stellt daher durchaus eine Möglichkeit dar, wichtige Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Die Besorgnis von Politik und Medien in Bezug auf dieses Thema ist daher nicht ganz unbegründet und in diesem Zusammenhang sprechen sich immer mehr Politiker für eine gesetzliche Verpflichtung sozialer Netzwerke aus, damit diese schärfer gegen Falschmeldungen vorgehen müssen. Der deutsche Minister für Justiz forderte unter anderem, dass soziale Netzwerke gesetzlich verpflichtet werden sollen, rechtswidrigen Content innerhalb von 24 Stunden zu löschen.

In Österreich trat 2002 §276 StGB in Kraft, welcher die vorsätzliche Verbreitung von falschen Informationen in der Gesellschaft unter Strafe stellt. Dieser Paragraph wurde jedoch am 31.12.2015 außer Kraft gesetzt.

Auch auf Facebook verbreiten sich Falschmeldungen mit hoher Geschwindigkeit, was zum einen daran liegt, dass durch Likes jene Kommentare, durch die Mechanismen von Facebook und Co bevorzugt behandelt werden, und zum anderen werden Falschmeldungen somit zu einer modernen Form der klassischen Mundpropaganda. Ganz nach dem Motto “Sharing is Caring” werden Artikel mit Freunden geteilt und gelangen somit auch in den Newsfeed anderer, wodurch News, Stories, Informationen usw. ein Millionenpublikum erreichen können. Durch eine zunehmend mangelhafte Kommunikationskultur und teilweise antrainierte Oberflächlichkeit – wir müssen oftmals nicht mehr begründen, wieso wir etwas toll finden, ein bloßes gefällt mir reicht – werden viele Texte oder deren Überschriften meist nur überflogen oder geteilt, ohne tiefer in die Materie einzudringen.

Fake News sind, wie anfangs schon erwähnt, absichtlich gestreute Falschmeldungen oder Aussagen mit der Intention, die Leser in die Irre zu führen. Liest man sich anschließend die Kommentare von entsprechenden Artikeln durch, entsteht das Bild einer unsicheren und vielleicht auch verängstigten Leserschaft, welche mit (oftmals beleidigenden) Worten auf der Suche nach Antworten um sich wirft. Es entstehen aggressive, provozierende Postings im Internet, die durchaus auch einen rechtlichen Straftatbestand – darunter finden sich unter anderem Verhetzung, Mobbing sowie üble Nachrede – erfüllen, aber das Internet ist auch bei uns schon längst kein rechtsfreier Raum mehr. Zwar werden wir nicht aufgrund von Kommentaren, Nachrichten, Meldungen oder Artikel im Netz, die dem Staat oder einzelnen Organisationen missfallen – wie etwa in Russland oder Syrien -, aus dem Verkehr gezogen. Aber auch uns drohen bei bewusst oder auch unbewusst gewählten Worten im Netz, Konsequenzen. Obwohl in Österreich gesetzliche Grundlagen in Bezug auf Verhetzung, Mobbing oder üble Nachrede usw. im Strafgesetzbuch normiert sind, macht sich die Unwissenheit darüber, vor allem durch den Anstieg der Anzeigen, bemerkbar. Aus diesem Grund fordern Politiker, dass Falschmeldungen und Hasspostings umgehend von Facebook und Co. gelöscht werden sollen. Was bleibt, ist eine Form der Zensur, denn wer entscheidet schlussendlich darüber was Satire und was Ernst ist, was im Netz thematisiert werden darf und was nicht? Was passiert mit jenen Hasspostings, die aufgrund einer verletzenden Aussage umgehend gelöscht werden würden? Es bliebe wohl kaum Zeit, innerhalb von 24 Stunden genügend Beweise für eine Strafanzeige zu sammeln, wenn der Algorithmus dieses Posting bereits gelöscht hat. Ebenso wie Videoüberwachung im öffentlichen Raum, hat die Löschung der Postings lediglich eine Verdrängung zu Folge.

Meinungsfreiheit sollte nicht nur in ihrer minimalsten Form existieren müssen, auch nicht im Netz. Diese mit sehr engen Grenzen zu versehen wäre der falsche Ansatz, um die Gesellschaft (vor sich selbst) zu schützen, da wir uns schon bald in einer Zensur-Gesellschaft wiederfinden würden. Vielmehr sollte differenziertes Denken und das Bewusstsein für Moral und Ethos gefördert, sowie darauf vertraut werden, dass jene Menschen, welche ohne Skrupel oder Scham Straftatbestände erfüllen, angezeigt und gerichtlich verfolgt werden. Facebook und Co. verleihen auch die Macht, gesellschaftliche Geschehnisse im Auge zu behalten und gegebenenfalls eingreifen zu können, zu sehen, wie Menschen auf bestimmte politische und soziale Themen reagieren, schnell auf aufkeimende Gerüchte einzugehen oder gar direkt auf Ängste der Gesellschaft zu antworten. Man muss den Ängsten auf den Grund gehen und anfangen, durch gezielte Maßnahmen, wie etwa die Stärkung von digitalen Kompetenzen, ein digitales und vor allem soziales Bewusstsein in den Menschen wecken, doch leider ist lediglich von neuen Gesetzen oder gar der Zensierung die Rede. Dies würde bedeuten, dass die Probleme zwar nicht mehr sichtbar, jedoch immer noch vorhanden sind und wer weiß, ob wir uns nicht auch schon bald im Darknet wiederfinden, um der Zensur zu entgehen.

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