Wer liebt wen? – Die Bedeutung von Ethnien im Online Dating

Carina Mikusch

Online Dating zählt mittlerweile zu den beliebtesten Möglichkeiten, einen Partner zu finden. Es existiert kein Land, in dem nicht Online Dating betrieben wird, und in dem es nicht mindestens eine eigene länderspezifische Plattform für die Partnersuche gibt.

Trotz der internationalen Verbreitung des Phänomens ist in diesem Medium eine starke Tendenz zu ethnischer Segregation bemerkbar. Umso absurder scheint es, dass diese Tatsache im Internet, also im Medium der internationalen Kommunikation, zu beobachten ist. Obwohl die Barrieren in der Theorie durchaus überwunden werden können, wird diese Möglichkeit in der Praxis anscheinend nur ungern genutzt. Anscheinend möchte jede Ethnie am liebsten unter sich bleiben. Studien zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung am liebsten Partner der eigenen Nationalität oder zumindest derselben Hautfarbe suchen, und, wie es scheint, auf den Kontakt zu anderen Ethnien verzichten oder diese sogar konkret ablehnen.

Der Soziologe Kevin Lewis führte eine Studie zu Online Dating an der Universität Kalifornien durch. Im Rahmen dieser Studie wurde die Interaktion von 126.134 neuen Mitgliedern einer bekannten Online-Dating-Plattform über zweieinhalb Monate hinweg beobachtet und untersucht. Daraus ging deutlich hervor, dass die meisten Menschen nur sehr selten Kontakt mit Menschen außerhalb der eigenen Ethnie aufnehmen. Bei den wenigen Personen, die auch Menschen einer anderen Volksabstammung anschrieben, war die Wahrscheinlichkeit einer Antwort im Vergleich zu Anfragen an Personen der gleichen Hautfarbe in der Regel sehr gering. Partnersuchende aller Nationalitäten und Abstammungen suchen bevorzugt Personen derselben Hautfarbe oder sogar derselben oder einer ähnlichen Nationalität. Dieses Verhalten ähnelt sich weltweit und ist in Amerika ebenso zu beobachten wie in Afrika, Europa oder Russland.  Als Ausnahme von diesem Trend gelten interessanterweise asiatische Frauen, denn diese bevorzugen europäische Männer deutlich gegenüber asiatischen Männern. Interessanterweise sind asiatische Frauen oft mit ihrer vorherrschenden, traditionellen Rolle als Freundin bzw. Ehefrau in der eigenen Kultur überhaupt nicht zufrieden und wollen ihren Traditionen entfliehen. In anderen Kulturen – vor allem in Europa ist dies deutlich zu erkennen – hat die Frau in einer Beziehung meist einen höheren Stellenwert und ist in ihrer Emanzipation bereits fortgeschritten.

Eine Untersuchung der Facebook-Dating-Plattform „Are you interested“ lieferte ähnliche Ergebnisse. Hier wurde konkret die „Response Rate“ auf Online-Anfragen diverser Ethnien untersucht. AYI funktioniert ähnlich, wie die bei uns wahrscheinlich bekanntere Dating-App “Tinder”: Als User bekommt man verschiedene Partnervorschläge mit Fotos und knappe Informationen zur Person selbst. Man hat zwei Möglichkeiten einen Vorschlag zu bewerten, entweder mit “Yes” oder mit “Skip”. Bei ersterer Entscheidung wird eine Nachricht an den potentiellen Partner gesendet, dieser kann daraufhin entscheiden, ob er oder sie beantworten möchte oder lieber nicht. Bei “Skip” wird der Vorschlag verworfen und ein neuer Partnervorschlag erscheint am Display.
Die Studie zu AYI ergab darüberhinaus Unterschiede im jeweiligen Verhalten innerhalb der beiden Geschlechter. Europäische, asiatische und lateinamerikanische Frauen antworten demnach bevorzugt auf Anfragen von europäischen Männern, während afrikanische Frauen eindeutig lieber auf Anfragen von Männern gleicher Herkunft antworten. Die Mehrheit der Männer antworten auf Anfragen von asiatischen Frauen – diese Kultur wird hier klar präferiert. Als Ausnahme gelten erneut asiatische Männer, die bevorzugt auf Anfragen von lateinamerikainschen Frauen antworten.

Diese Tendenz der “Differenzierung” auf Basis einer gewissen Voreingenommenheit, wie man nicht ganz ohne Grund vermuten könnte, ist aber weder auf den Bereich des Online-Dating noch auf allein ethnische Aspekte beschränkt. Abstammung oder Geburtsort sucht sich bekanntlich niemand aus, und so gibt es durchaus Länder – wie zum Beispiel Nordkorea – in denen die Mehrheit der Menschen von diesem Dating-Wettbewerb von vornherein ausgeschlossen ist. Auch dort gibt es Online-Dating-Angebote, doch in einem Land, das Werten wie freie Meinungsäußerung oder Versammlungsfreiheit nur sehr „selektiv“ zulässt, ist auch der Zugang zum Internet sehr stark reglementiert, wenn nicht sogar unterbunden. Erschreckende 1 Million Personen der koreanischen Gesamtbevölkerung, das sind 4 %, dürfen ein Handy benutzen, doch nur jene, die grenznahe wohnen, können überhaupt ein Internetsignal – aus China – empfangen. Die Strategie, den Zugang zum Informationsmedium Internet so stark zu beschränken, folgt nicht nur der Logik des dortigen Regimes, sie führt unter anderem auch dazu, dass die Teilnahme am Dating Markt nur einer äußerst geringen Anzahl an Personen überhaupt möglich ist. In gewisser Weise stellt sich aufgrund dieser Benachteiligung die Frage nach den ethnisch bedingten Verhaltensweisen nicht in diesem Umfang.

Dafür, dass es neben Ethnie oder Gesellschaftsschicht noch – wir vermuten – einige andere Auswahlkriterien bei der Partnersuche gibt, liefert Indien, ein Land in dem Hochzeiten stark von Tradition und Kultur geprägt sind, einen weiteren, interessanten Beleg. Damit Inder einen Ehepartner finden, geht diese Kultur durchaus auch über ihre eigene Ethnie und die Landesgrenzen hinaus und nimmt für ein erstes Kennenlernen sogar weite Reisen in Kauf. Im Gegensatz zur Herkunft spielt in diesem Volk aber die Ernährung eine wichtige Rolle und so erfolgt die Wahl des Partners oft unter großer Berücksichtigung der Essgewohnheiten bzw. der persönlichen Einstellung zum Essen, zumal viele Inder vegetarisch oder sogar vegan leben.

Die Trennung zwischen Gruppen und Gesellschaftsschichten hält demnach in nicht geringem Umfang auch im Internet noch an. Auch wenn viele Menschen der Meinung sind, dass das Internet die Welt verändert, und die weltweite Vernetzung sowie die Verschmelzung der Kulturen unabdingbar sind, so zeigt das derzeitige Verhalten am Beispiel des Online-Dating sehr gut, dass dem nicht so ist. Viele Erwartungen an das Netz werden nicht erfüllt, weil gewisse Änderungen nicht vollzogen werden können oder nicht erwünscht sind. Ethnie, Abstammung, Gesellschaft und Politik spielen beim Online-Dating ebenso eine wesentliche Rolle wie im Internet ganz allgemein.

Die Kriterien, nach denen hier unterschieden wird, sind nicht immer jene, die man auf den ersten Blick vielleicht vermutet, doch in jedem Fall können sie wohl nicht so ohne weiters übergangen oder verändert werden.

Quellen:
The uncomfortable racial preferences revealed by Online Dating
Hope for Online Dating – Study shows it’s less segregated
The Wall Street Journal: Die dunkle Seite der digitalen Revolution
Indien – Vorreiter beim Online Dating

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