Humanitarian Makers

Clemens Sunitsch

„Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.“ – Konfuzius

In Ihrem Artikel Making Things hat die Autorin Margit Gast das Thema Maker Movement angesprochen, viele darum kreisende Begriffe wie Fab Labs beschrieben und auch über die Schattenseite zu diesem Thema berichtet. Inzwischen hat sich auf technischer Ebene einiges getan, allerdings erweitern sich auch die Anwendungsgebiete des 3D-Drucks. Darum möchte ich in diesem Artikel nicht nur über die technischen Seiten, sondern vor allem über den Einsatz in humanitären Belangen berichten.

Blende: Republica 2015, Finding Europe – Berlin, Kreuzberg – jung, bunt, frech … Graffiti. In alten Industriehallen findet „Europes biggest conference on internet and society“ statt, eine Konferenz rund um die digitale Gesellschaft. Viele junge Menschen in legerer Freizeitkleidung. Darunter mischen sich Businessleute, VertreterInnen von Google & Co, ebenso wie WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen. Es gibt viele bunte Stände, an denen zum Mit- und Selbermachen eingeladen wird, zum Beispiel eine Bastelecke, wo auch ein 3D-Drucker zur Verfügung steht. Hier wird der Do-it-yourself-Gedanke gelebt, der im Maker Movement so zentral ist. Daneben referieren Informatiker neben Juristen, Soziologen, Psychologen, Wirtschaftstreibenden und Journalisten auf den Bühnen. Nach einer Diskussion über Social-Media-Marketing, die das Publikum offen und konstruktiv kritisiert, weil das Learning zu sein scheint, dass es kein Patentrezept gibt, weiter zu einem heiß erwarteten Vortrag: Humanitarian Makers – 3D Printing & manufacturing in disaster zones. Der Referent Andrew Lamb, Advisor von Field Ready, einer Firma, die die Einsatzmöglichkeiten von 3D-Druckern in Krisengebieten testet, berichtet von seinen Erfahrungen Ende 2014 in Haiti. In der Zeit nach dem Erdbeben stellte Field Ready gemeinsam mit der Organisation e-NABLE medizinische Geräte, von Nabelschnurklemmen bis hin zu einfachen Prothesen, her.

Schon der Name Humanitarian Maker Movement macht klar, dass hier Technologie, der Geist der Do-it-yourself-Bewegung und humanitäres Engagement zusammentreffen. Gerade die Technik des 3D-Drucks und der Erfinderdrang der Maker eignen sich besonders gut in Situationen, in denen man aus knappen Ressourcen das Beste machen muss. So kann schnell, spezifisch, höchst individualisiert und nachhaltig geholfen werden.

Eine Inspirationsquelle dazu ist das sogenannte Crisis Mapping, bei dem sich Freiwillige zusammenfinden, um zum Beispiel Berichte über Straßenbeschaffenheit aus den klassischen Medien sowie aus Social-Media-Quellen in eine Karte einzutragen und als aktuelle Informationen mithilfe der Ushahidi-Plattform bereitzustellen. Genau hier kommt das Web ins Spiel: Via Internet können Menschen, die eventuell über mehr Informationen, Technologie oder auch zusätzliche (Zeit-)Ressourcen verfügen, Menschen inmitten von Krisengebieten helfen. Helfer können im Bereich des 3D-Drucks über Onlineplattformen digitale, 3D-Druck-fähige Designs zur Verfügung stellen, wenn vor Ort nicht die nötige Zeit oder das nötige Know-how verfügbar ist.

Ein weiteres schönes Beispiel liefert der in Lomé beheimatete Togolese und Mitarbeiter im dort ansässigen Hackerspace WoeLab, Kodjo Afate Gnikou. Er baute einen funktionsfähigen 3D-Drucker, größtenteils aus Elektroschrott. So hielt er die Materialkosten unter 100 US-Dollar und zeigte damit, dass diese Technik nicht unerreichbar oder unerschwinglich ist. Gnikou möchte vor allem der Jugend Afrikas helfen und Mut machen, weswegen er seine Entwicklung der Allgemeinheit zur freien Verfügung stellt.

Die möglichen Anwendungsgebiete sind durch die Kombination zahlloser möglicher Formen und verwendbarer Materialien, die auch biologisch abbaubar oder recycelt sein können, schier endlos. Von einfachen Kunststoffsäckchen, um bei fehlenden Sanitäranlagen (Peepoo) auszuhelfen, über ganze Häuser (Canal House) und Bestandteile technischer Anlagen, bis hin zu medizinischen Geräten, Prothesen und sogar Implantaten lässt sich beinahe alles herstellen.

Der große Vorteil des 3D-Drucks ist vor allem die Fähigkeit, bei logistischen Problemen Abhilfe schaffen zu können. Dazu gehören beispielsweise Importrestriktionen, Einfuhrgebühren, oder – vor allem nach einer Katastrophe – fehlende Infrastruktur im Land. So durften in Haiti keine großen Flugzeuge landen, um eine Überstrapazierung und Beschädigungen der Landeflächen zu vermeiden. Herkömmliche Krisenintervention ist zugleich durch den großen logistischen Aufwand relativ langsam und ein Großteil der finanziellen Mittel muss für Transport und Lagerung in Warenhäusern aufgewendet werden. Zwar ist die Einfuhr von Gütern eine wichtige Maßnahme, um schnell Hilfe leisten zu können, langfristig betrachtet kommt es aber auch darauf an, nachhaltigere Unterstützung anbieten zu können.

Ein weiteres Problem ist die Verteilung der Hilfsgüter zur richtigen Zeit am richtigen Ort, da diverse Hilfsmittel stoßweise nach Verfügbarkeit geliefert werden und sich nicht immer nach dem aktuellen Bedarf richten. In Haiti fehlte es zum Beispiel an einfachen Nabelschnurklemmen, die in China zwar um ca. 0,10 US-Dollar und damit um rund ein Sechstel der 3D-Druck-Kosten per Stück zu haben sind, allerdings ließen die Lieferungen lange auf sich warten und die Verteilung auf Haiti funktionierte nicht. Genau diese logistischen Probleme können mit der 3D-Druck-Technologie umgangen und der Bedarf schneller und zielgenauer gedeckt werden. Dabei wurden die Menschen vor Ort nicht nur mit den dringend benötigten Materialien versorgt, sondern auch selbst in die Entwicklung und Produktion miteingebunden. Field Ready schulte sie im Umgang mit 3D-Druckern und -Scannern. Die Haitianer lernten schnell und konnten durch die neuen Fähigkeiten sogar eigene Organisationen gründen, um ihre Landsleute zu unterstützen. Auf diesem Weg erfuhren sie Hilfe zur Selbsthilfe, die sie nun auch weitergeben können.

Natürlich ist der Humanitarian-Maker-Ansatz kein Allheilmittel und es gibt durchaus noch Schwierigkeiten, wie zum Beispiel beim Design, der Stromversorgung oder auf juristischer Ebene. Werden jedoch 3D-Drucker wohlüberlegt und zielgerichtet dort eingesetzt, wo ein Mangel an Zeit und Zugang besteht, bietet die Humanitarian-Maker-Bewegung in Verbindung mit der herkömmlichen Krisenhilfe einen hilfreichen und aussichtsreichen neuen Blickwinkel. Können im Moment nur relativ einfache Produkte gefertigt werden, machen oft gerade diese einen großen Unterschied, werden sie am richtigen Ort und zur richtigen Zeit eingesetzt. Zum Beispiel kann mit einfachen aber sauberen Nabelschnurklemmen die Säuglingsgesundheit deutlich verbessert werden, weil Infektionen vermieden werden können.

The Humanitarian Maker Movement – eine Bewegung, die versucht, Hochtechnologie dort einzusetzen, wo es am Allernötigsten fehlt. Dahinter steckt eine globale Community, die mit Menschen in Krisengebieten und Entwicklungsländern zusammenarbeitet. Den Menschen wird damit mehr geboten als vielleicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Denn die Macht, Dinge selbst zu erschaffen, gibt Hoffnung. Die Botschaft hinter dem Humanitarian Maker Movement: Jeder kann helfen und letztendlich sind wir alle Eins – We are all one.

Quellen
http://www.fieldready.org/
http://3dprinting.com
Möglichkeit von Implantaten
Neuer 3D Drucker und Plastik Sackerlverwerter
Beispiel von 3D Drucker mit biologisch abbaubarem Plastik
http://de.ulule.com/wafate/
3D Drucker aus Elektroschrot-Togo
http://www.peepoople.com/
http://voices.nationalgeographic.com/2012/07/02/crisis-mapping-haiti/
http://www.ushahidi.com/
http://3dprintcanalhouse.com/
Foto: Berli Mike (Flickr)

Clemens SunitschHumanitarian Makers

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