Open Education – Auf dem Weg zur Bildungsrevolution

Bianca Danhofer

Open Education ist im Bildungsbereich auf dem Vormarsch. Vor allem alternative Bildungswege werden immer beliebter. Diese sind jedoch noch lange nicht ausgereift und bis ein adäquater Ersatz bzw. Zusatz zu herkömmlichen Bildungsstätten geschaffen werden kann, müssen noch einige Fragen geklärt werden. Wozu brauchen wir freie Lernmaterialien? Warum sind sie noch nicht weiter verbreitet? Kann man sich auf die Qualität der Inhalte verlassen? Wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Was genau versteht man nun unter Open Education? Dahinter verbirgt sich nichts anderes als das Anliegen, Bildung für jeden frei zugänglich zu machen. Aufgrund der Möglichkeiten des Internets, Informationen direkt und unmittelbar zur Verfügung zu stellen, setzt man heute vor allem auf Online-Inhalte. Mittels so genannter Open Educational Resources oder sonstiger freier Lernplattformen soll dieses Ziel erreicht werden. Im Idealfall kann so auch das Bildungsniveau in jenen Regionen deutlich erhöht werden, in denen der Zugang zu ausreichender Bildung nur sehr eingeschränkt möglich ist.

Für diese Open Educational Resources, kurz OER, gibt es bis zum heutigen Tag keine einheitliche Definition. Im deutschsprachigen Raum werden sie als freie Bildungsmaterialien oder freie Lerninhalte bezeichnet. Die UNESCO beschreibt OER als Lehr, Lern- und Forschungsressourcen in digitaler oder anderweitiger Form. Des Weiteren müssen sie unter einer offenen Lizenz veröffentlicht werden, die es erlaubt, Inhalte ohne Kosten zu nutzen, zu bearbeiten oder weiterzuverwenden. Der große Vorteil gegenüber offenen Universitäten zeigt sich bei der Zeit- und Ortsunabhängigkeit. Die einzige Voraussetzung ist ein Computer mit Internetanschluss, mit dem das Material zu jeder Zeit und von jedem Ort der Welt aus abgerufen werden kann, ähnlich dem Internetlexikon Wikipedia.

Zu den ersten und weitreichendsten Projekten im Bereich OER gehört das vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) initiierte Projekt „OpenCourseware“. Es wurde 2001 gestartet und gilt weithin als Ursprung der OER Bewegung an Hochschulen. Hier werden Kursinhalte und Lernmaterialien der Universität auf einer eigens eingerichteten Plattform online gestellt. Diese ist nicht nur für Studenten der Universität zugänglich, sondern für Wissensinteressierte weltweit. Im März 2014 zählte die Plattform 2206 veröffentlichte Kurse und insgesamt 152.347.354 Besucher.

Ein weiteres erwähnenswertes Projekt ist die Plattform Peer-to-Peer-University (P2PU), auf der jeder freie Lehrinhalte zur Verfügung stellen bzw. abrufen kann. Diese non-profit Organisation ruft Menschen aus der ganzen Welt auf, ihr Fachwissen, egal zu welchem Thema, in Form von Kursen auf der Plattform zu teilen. Das Projekt startete im Jahr 2009 und stellt zurzeit 550 Kurse zur Verfügung, welche von bisher 67.000 Lernenden genutzt wurden. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal für OER-Plattformen ist genügend Partizipation. Doch die vielen zur Verfügung gestellten Inhalte müssen auch auf Richtigkeit, Form und Qualität kontrolliert werden. Wie zuverlässig diese Informationen sind, ist daher auch von der Organisation abhängig, die hinter dem Projekt steht. So tritt das Problem beim OCW-Projekt vom MIT kaum auf, da die Inhalte von Lehrenden der Universität stammen. Anders bei der Plattform P2PU. Hier kann jeder Inhalte hochladen – der Kontrollbedarf ist dementsprechend höher und kann daher vielleicht nicht immer gedeckt werden. Die große Vielfalt der Inhalte ist für die Nutzer zwar ansprechend, doch erfordert dieses Konzept eben weit mehr Kontrolle und damit auch einen höheren Wartungs- und Kostenaufwand.

Obwohl die Möglichkeiten zur Weitergabe von Wissen beinahe unbegrenzt scheinen, scheuen sich noch immer viele Menschen davor, ihr Wissen mit der Masse zu teilen. Dies kann zum Beispiel an fehlendem technischen Know-how liegen, also Unsicherheit bezüglich des richtigen Einsatzes von Lizenzen und ihren Rechten, oder der Erstellung einheitlicher Standardformate, aber auch ganz einfach an fehlenden Kenntnissen der benötigten Hard- und Software. Ein weiterer Grund ist, dass die Kultur des Teilens in Europa nicht so stark ausgeprägt ist wie in den USA. Obwohl jeder Wissen teilen kann, ohne es zu verlieren, sind viele Menschen nicht bereit, ihr Wissen kostenlos und ohne Einschränkungen weiterzugeben, da sie den Verlust von persönlichen Vorteilen befürchten oder Angst vor Kritik haben.

OER-Systeme haben das Potenzial, die Bildungswelt zu verbessern. Doch das System ist noch nicht ausgereift und es gibt eine Vielzahl an Kritikern, die die jetzigen Systeme bemängeln. Im Bereich der Hochschulen bleibt die Sorge der Qualitätssicherung. Während klassische Lernunterlagen ausgiebigen Kontrollen unterzogen werden, ehe sie im Unterricht zum Einsatz kommen, ist dies bei den meisten OER-Plattformen eher weniger der Fall. Auch der Vermarktungsdruck motiviert beispielsweise Verlage ihre Materialien entsprechenden Qualitätsstandards anzupassen – Menschen die ihr Wissen frei teilen, werden finanziell eher weniger davon abhängig sein und sind diesem Druck somit nicht im selben Maße unterworfen. Ein weiterer Aspekt ist die Finanzierung von Open Educational Resources, im Hinblick auf die Frage, ob es überhaupt ethisch vertretbar sei, damit Geld zu verdienen. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, wäre vielleicht den User selbst darüber entscheiden zu lassen, wieviel ihm das Wissen wert ist. Ein weiterer Ansatz wäre, die Bildungsmaterialien grundsätzlich kostenfrei anzubieten, für ein offizielles Abschlusszertifikat des Kurses jedoch eine Gebühr einzuheben.

Ebenso wie man sich diesen finanziellen Fragen zu stellen hat, muss das OER System darüberhinaus auch richtig vermarktet werden. Viele Experten haben sich bereits mit den Themen der OER-Bewegung auseinandergesetzt, inhaltlich beschäftigen sich die Meisten jedoch vor allem mit der Erstellung funktionsfähiger Systeme und weniger mit Vermarktungsstrategien und Praktiken zur richtigen Nutzung. Vor allem für den formellen Gebrauch ist es jedoch besonders wichtig zu vermitteln, wie freies Material richtig eingesetzt werden kann. Das Bewusstsein für informelle Formen des Lernens muss in formellen Bildungsumgebungen in mancherlei Hinsicht erst geschaffen werden.

OER sind eine gute Möglichkeit, Bildung einer breiten Masse näher zu bringen. Das Konzept ist jedoch noch nicht endgültig ausgereift und zu diesem Zeitpunkt wohl auch nicht in der Lage, eine Schul- oder Universitätsausbildung adäquat zu ersetzen. Um mittels Open Educational Resources auf das gleiche Bildungsniveau zu kommen, wird sich noch Vieles entwickeln müssen, sowohl technisch als auch gesellschaftlich. Egal ob im privaten oder universitären Umfeld ist es aber in jedem Fall eine exzellente Möglichkeit sich zu informieren und weiterzubilden. Auch wenn OER für uns vielleicht noch keinen allzu großen Einfluss auf unser heutiges Bildungssystem hat, gibt es bereits vielfältige Ansätze, die in Zukunft gewiss an Bedeutung zunehmen werden. Nicht nur in bildungsschwachen Ländern, sondern auch in Österreich selbst ist es nicht Jedem möglich, sich wie gewünscht weiterzubilden. Sei es aufgrund des finanziellen, zeit- oder ortsabhängigen Aspektes, OER kann helfen diese Lücke zu füllen und mehr Menschen eine Chance auf bessere Bildung ermöglichen. Wenn die Systeme passende Finanzierungsmodelle und Möglichkeiten zur Qualitätssicherung entwickeln und den Anreiz zum Teilen erhöhen können, wird sich zeigen, ob Open Educational Ressources Bildung, so wie wir sie heute kennen, nicht doch eines Tages revolutionieren wird.

Bianca DanhoferOpen Education – Auf dem Weg zur Bildungsrevolution

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