Online-Targeting – Warum das Internet weiß, was du brauchst

Judith Eibl

„Half the money I spend on advertising is wasted; the trouble is I don’t know which half.“ – John Wanamaker

Der US-amerikanische Kaufmann John Wanamaker hat schon vor etwa 100 Jahren die Problematik bei der Schaltung von Werbung angesprochen: Streuverluste. Die gewünschte Zielgruppe zu erreichen ist das A und O in der Werbung. Streuverluste sind die ungebetenen Gäste, weil sie Kosten verursachen und dennoch nicht das bringen, was sie sollten: neue, treuere Kunden. Schon seit langer Zeit sind Werbetreibende deswegen bemüht, die Aussteuerung der Werbemittel so gut wie möglich einzugrenzen. Offline fällt das jedoch nicht immer leicht, nachdem die exakte Werbeschaltung bei klassischen Medien wie Zeitung, TV und Radio nur eingeschränkt zu beeinflussen ist. Teilweise ist eine thematische, zeitliche oder geografische Abstimmung zwischen Werbung und Werbeträger möglich, beispielsweise bei einer Werbeanzeige durch einen Sportartikelhersteller in den Sportnachrichten. Ob eine bestimmte Zielperson diese Werbung sieht oder nicht, ist dennoch nicht beeinflussbar. Zwar werden durch klassische Medien meist sehr hohe Reichweiten erzielt, jedoch zählt nur ein Bruchteil dieses Publikums tatsächlich zur Zielgruppe.

Online sieht das etwas anders aus. Das Web hat mittlerweile eine Vielzahl an Möglichkeiten hervorgebracht, die eigene Zielgruppe und sogar bestimmte Zielpersonen zu erreichen – Stichwort Online-Targeting. Darunter versteht man die zielgerichtete Aussteuerung von digitalen Werbemitteln an die gewünschten Internetnutzer. Das bedeutet also, dass die Werbung nur für jene Personen eingeblendet wird, welche zur potentiellen Interessensgruppe der beworbenen Produkte zählen. Um Targeting erfolgreich umzusetzen, benötigt der Werbetreibende demnach ausreichend Informationen über die einzelnen Internetnutzer sowie deren Eigenschaften und Vorlieben. Je umfangreicher und detaillierter die Informationen, desto gezielter das Targeting und desto geringer die Streuverluste. Als Quelle für diese Informationen dienen häufig auch die großen Player der Online-Szene wie etwa Facebook, Google oder Amazon. Diese sammeln im großen Stil Daten über ihre Nutzer und stellen sie in anonymisierter und aggregierter Form der Werbeindustrie zur Verfügung. Diese Daten können Informationen wie Geschlecht, Alter, Beruf, Wohnort, persönliche Interessen, Verhalten im Web und vieles mehr enthalten. Zudem können Nutzer mittels sogenannter Third-Party-Cookies nach dem Besuch einer Website über weitere Websites hinweg verfolgt werden. Es handelt sich dabei, ebenso wie bei herkömmlichen (First-Party-)Cookies, um kleine Textdateien, welche beim Aufruf bestimmter Websites lokal am PC des Besuchers gespeichert werden und ihn eindeutig identifizierbar machen. Im Gegensatz zu First-Party-Cookies werden Third-Party-Cookies jedoch nicht nur vom Cookie-Owner, also jener Website, auf der das Cookie erzeugt wurde, genutzt, sondern auch von „dritten“ Websites, welche mit dem Cookie-Owner zusammenarbeiten. Besonders im Zusammenhang mit Werbeschaltungen auf externen Websites wird diese Art der Nutzerverfolgung häufig eingesetzt, um Informationen zu Surf- und Klickaktivitäten sowie daraus erkennbare Interessen aufzuzeichnen.

Eine einfache Möglichkeit des Targetings stellt Geotargeting dar. Hierbei werden geografische Daten, also der Standort des Nutzers, für gezielte Werbung herangezogen. Um diese herauszufinden, genügt die IP-Adresse des Users. Bei mobilen Endgeräten wird jedoch auch immer häufiger auf GPS-Daten zurückgegriffen, um den Standort genauer bestimmen zu können. So lassen sich zum Beispiel regional beschränkte Angebote gezielt an Personen in dieser Region senden. Etwas komplexer wird Targeting in Kombination mit dem Nutzerverhalten, das sogenannte Behavioral Targeting. Diese Art der Zielgruppenansprache hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Behavioral Targeting basiert auf dem Einsatz von Cookies, die das Surfverhalten (z.B. besuchte Websites, Verweildauer etc.) und das Klickverhalten (z.B. Interaktionen mit Werbebannern) von Usern auf der eigenen Website oder sogar über fremde Websites hinweg aufzeichnen. Wenn also zum Beispiel ein Internetnutzer häufig Websites zum Thema Auto besucht oder auf Anzeigen mit Autoreifen klickt, können ihn Automobilhersteller mit Behavioral Targeting gezielt ansprechen. Eine Weiterentwicklung davon nennt sich Predictive Behavioral Targeting, bei dem die bestehenden Daten zum Nutzerverhalten mit allgemeinen statistischen Daten aus Online-Befragungen oder Ähnlichem kombiniert werden. Dadurch können beispielsweise auch Produktinteressen der Nutzer erhoben werden, welche sich aus dem Verhalten nicht direkt ableiten lassen.

Das gleiche technische Prinzip wie bei Behavioral Targeting wird auch bei Retargeting eingesetzt. Das Ziel dabei ist es allerdings, Personen, welche die eigene Website bereits besucht haben, zurückzuholen und sie zu Aktionen wie einem Kaufabschluss zu bewegen. Hierzu werden den „verlorenen“ Kunden zum Beispiel stets Werbeanzeigen von exakt jenem Produkt angezeigt, welches sie in letzter Zeit auf der Website des Werbenden angesehen haben. Ein großer Nachteil bei den Cookie-basierten Targeting-Möglichkeiten ergibt sich daraus, dass dabei die Zielperson außer Acht gelassen wird. Denn für Personen, die zum Beispiel denselben Computer nutzen, wird auch dieselbe Werbung eingeblendet. Es kann demnach vorkommen, dass eine Frau Werbung zu „Nassrasur“ angezeigt bekommt, weil ihr Mann häufig am selben Computer Websites zu diesem Thema besucht. Eine Alternative hierfür bietet Social (Media) Targeting. Die Daten dafür stammen dabei nicht von Cookies, sondern von sozialen Netzwerken, wobei Facebook dabei gewiss als Vorreiter gilt. Vom User angegebene Interessen und Hobbys, ob direkt im Profil oder durch Gefällt-mir-Angaben, soziodemografische Daten wie Alter, Geschlecht oder Ausbildung, und geografische Daten stellen dabei wesentliche Auswahlmöglichkeiten dar. Auf Basis dieser Nutzerinformationen lässt sich die eigene Zielgruppe sehr präzise auswählen und Werbeanzeigen gezielt ansteuern. So könnte beispielsweise ein Geschäft für Babyartikel aus Linz auf Facebook Werbeanzeigen gezielt für weibliche Personen zwischen 18 und 40 Jahren schalten, welche in Linz wohnen, Interesse an Baby, Kleidung etc. haben und derzeit schwanger sind oder kürzlich geheiratet haben.

Auch aus Sicht der Konsumenten kann es vorteilhaft sein, nur Werbung zu sehen, die exakt auf das Alter, Geschlecht und eigene Interessen zurechtgeschnitten ist. Sportfanatiker erhalten immer die neuesten Angebote rund um ihre Lieblingssportart. Werdende Eltern erhalten Informationen über Produkte, welche sie für ihr Neugeborenes brauchen könnten. Dennoch hält sich bei den meisten Internetnutzern die Freude über derartige Werbung in Grenzen, weil sich die Betroffenen dadurch ungefragt ausspioniert fühlen. Zudem wirkt zielgerichtete Werbung unheimlich, weil das Gefühl vermittelt wird, das Internet kennt die eigenen Bedürfnisse besser als man selbst. Zusätzlich kann es auch nervenaufreibend sein, wenn Targeting das Ziel verfehlt und Personen anspricht, welche eigentlich kein Interesse an den beworbenen Produkten haben und dennoch ständig damit konfrontiert werden. Das kann zum Beispiel vorkommen, wenn unterschiedliche Personen am selben Computer arbeiten. Aber auch, wenn man online nach einem Geschenk für eine andere Person sucht, wird das eigene Profil um das Produkt ergänzt, obwohl man selbst gar kein Interesse daran hat.

Trotz allem werden immer wieder neue Möglichkeiten entwickelt, um Personen noch gezielter und individueller anzusprechen. Demzufolge müssen auch immer mehr Informationen über die potentiellen Kunden, die Internetnutzer, gesammelt werden. Studien belegen, dass präzises Targeting effektiv und effizient ist und das ist aus Sicht der meisten Werbetreibenden wohl das Wichtigste.

Quellen:
Haas, Berthold H./Willbrandt, Klaus W. (2011): Targeting von Online-Werbung. Grundlagen, Formen und  Herausforderungen, In: MedienWirtschaft, 1/2011, S. 12–21.
http://www.onlinemarketing-praxis.de/glossar/behavioral-targeting
Bildnachweis: yosuke muroya (Flickr)

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