Native Advertising

Susanne Groiss

In den letzten Jahren hat sich unser Medien-Nutzungsverhalten stark verändert. Wir erstellen mittlerweile unsere eigenen Inhalte auf Social Media Plattformen und entscheiden selbst wann und wo wir welche Medien nutzen – aber ist das tatsächlich so?

Werbetreibende haben bereits erkannt, dass es nicht mehr ausreicht, ihre Produkte aus dem eigenen Verkaufswunsch heraus anzupreisen. Um Relevanz für die Nutzer zu schaffen, muss dem Kunden etwas geboten werden – ein Erlebnis, beziehungsweise ein spannender Content muss her. Konsumenten haben eindeutig genug von banaler Werbung. Nicht umsonst steigt die Verwendung von AdBlockern immer weiter an. Konsumenten verlangen nach Authentizität und einer ehrlichen Empfehlung, die nicht vom Werbenden selbst zu kommen scheint. Deshalb suchen Werbetreibende nach Lösungen, um Menschen mit ihren Werbebotschaften, vor dem Hintergrund der steigenden Nutzung von AdBlockern, wieder erreichen zu können. Die Frage ist, ob Online-Werbung, wie wir sie aktuell noch sehen, als Werbe-Banner oder Teaser, somit schon bald verschwunden sein wird?

Für Werbetreibende werden Targeting-Möglichkeiten im Online-Marketing immer feiner, immer personalisierter und mit der Entwicklung sogenannter “nativer” Werbeformate soll nun auch das ultimative “Heilmittel gegen die Werbeaversion” der Konsumenten gefunden sein. Es taucht mittlerweile überall dort auf, wo wir nicht damit rechnen. Jeder hat es wahrscheinlich bereits wo gesehen, aber wahrscheinlich nicht gleich als Werbung erkannt. Jedoch ist dieses sogenannte Native Advertising ja eigentlich nichts Neues. Schon vor der Entwicklung der ersten Online-Medien vor mehr als 20 Jahren haben Tages- und Wochenzeitungen sogenannte Verlagsbeilagen herausgegeben und tun das auch heute noch, meist mit Anzeigen, die wie ein journalistischer Artikel wirken und passend zum Thema, im „Look and Feel“ der Zeitung gestaltet sind.

Im digitalen Zeitalter werden diese „nativen“ Anzeigen, in Deutschland auch „Advertorials“ genannt, den redaktionellen Inhalten des Online Mediums, in dem sie erscheinen, soweit wie möglich angepasst.

„Ist Native Advertising somit, wie man so schön sagt, der Wolf im Schafspelz? Vielleicht. Und vor allem fragt man sich, in welche Richtung sich diese Form der Werbung weiterentwickeln wird?”

Ein wichtiger Faktor für Marketer ist die Tatsache, dass Native Ads in der Regel für Adblocker nicht zu erkennen sind. Dadurch können Online Werbetreibende ihre Botschaften geschickt unter den Content von Redaktionen und Social-Media-Nutzern mischen, ohne dass diese auf den ersten Blick als Werbung wahrgenommen werden.

Gemeinsam mit der Entwicklung von Social Media Communities nehmen auch Kundenrezensionen, Empfehlungen und Kritiken, die für Jedermann frei zugänglich und sichtbar sind, zu. Sowohl beim Kauf eines Produktes auf Amazon, als auch bei der Suche nach einem passenden Hotel für die nächste Reise – immer mehr User vertrauen eher den Meinungen anderer User, als sich von den Markenbotschaften der Anbieter selbst beeinflussen zu lassen. Was früher Mundpropaganda genannt wurde, wird heute im Social Web mit hunderten Personen geteilt, bewertet und weiterverbreitet.

Diese neue Dimension des Kundenfeedbacks hat mittlerweile auch für Unternehmen einen hohen Stellenwert und sie wollen vom sogenannten „Empfehlungsmarketing“ profitieren. Der Konsument ist nicht mehr nur Empfänger, sondern selber „Werbemedium“ und damit Werbeträger. Mit seinen Empfehlungen beeinflusst er die Kaufentscheidung anderer Konsumenten und macht das Marketing von Unternehmen glaubwürdiger. Somit bildet Native Advertising in Kombination mit dem Empfehlungsmarketing die Basis für einen aktuellen Trend, dem „Influencer Marketing“.

Wie der Name “Influencer Marketing” schon ausdrückt, haben die sogenannten „(Social) Influencer“ mit ihren Beiträgen einen starken Einfluss auf andere User. Ob auf YouTube, Facebook oder Instagram, die neuen Markenbotschafter in der Online Welt sind die User selbst. In jeder Branche gibt es einige, die sich nicht nur besonders gut mit dem jeweiligen Thema auskennen, sondern auch eine große Anzahl an Fans, Followern oder Zuschauern haben. Auch Unternehmen wittern hier ihre Chance. Sie kooperieren mit Social Influencern und wollen dabei sowohl von deren Reichweite als auch Meinungsführerschaft profitieren, indem sie diese beauftragen ihre Produkte oder Services zu testen und über diese zu schreiben.

Aktuelle Studien belegen, dass Nutzer sich wirklich eher von der Meinung eines Influencers beeinflussen lassen als von „klassischer“ Werbung. Laut der Influencer Marketing Plattform “The Shelf” trauen 92 Prozent der Nutzer Weiterempfehlungen anderer Nutzer eher als Brand Content. Für 72 Prozent der Nutzer sind Online Bewertungen die zweitwichtigste Quelle für Kaufentscheidungen.

Dies wirkt auf den ersten Blick so, als hätten wir eine Win-Win-Situation. Marketing-Experten sind mit diesen neuen Strategien erfolgreicher. Und wir als User sollten doch auch froh sein, anstatt lästiger Bannerwerbung nun harmonisch eingebettete Produkthinweise oder coole Influencer beziehungsweise Testimonials zu sehen, die wir als sympathisch empfinden und denen wir Vertrauen schenken. Ist das nicht ein toller Fortschritt?

Nicht unbedingt. Um Leser von ihren „nativen“ Inhalten zu überzeugen, sind einige Marketer meist sehr geschickt und verpacken ihre Werbebotschaften in interessanten Inhalten, die es schwer machen, nicht zu klicken.  Teilweise werden die nativen Anzeigen, wie beispielsweise ein Facebook Post oder eine Google Suchanzeige, zwar von den Werbetreibenden als „Sponsored by“ gekennzeichnet, trotzdem kann dies leicht übersehen werden und sie stehen deshalb unter Kritik. Viele Werbetreibende verzichten sogar ganz auf eine Kennzeichnung und bewegen sich damit in einer Grauzone. „Wenn man eine Zeitung liest, glaubt man in der Regel, was drin steht“, so Rechtsanwalt Thomas Schwenke. „Deshalb wollen Unternehmen und Agenturen natürlich, dass ihre Werbung so ähnlich wie ein Artikel aussieht.“ Aber sollte es nicht eine redaktionelle Trennung zwischen journalistischen Inhalten und Werbung geben? Die Gesetzeslage ist hier nicht ganz eindeutig, wenn es darum geht, wann und wie das passieren muss. Das Problem mit „Schleich(werbung)“ würde sich dann lösen lassen, wenn Unternehmen ihre Anzeigen ordnungsgemäß als diese kennzeichen und somit erkennbar machen, was drin ist. Die Grenze zwischen Empfehlung und Schleichwerbung verschwimmt.

Aber wie ist das mit der Vertrauenswürdigkeit, wenn viele versuchen zu verbergen, dass es sich um Werbung handelt. Riskieren sie dann nicht erneut das Vertrauen ihrer Kunden und Social Follower? Ist Native Advertising somit, wie man so schön sagt, der “Wolf im Schafspelz”? Vielleicht. Und vor allem fragt man sich, in welche Richtung sich diese Form der Werbung weiterentwickeln wird? Werden Unternehmen wieder andere Wege finden, um ihre Kunden zu erreichen? Werden sie mehr Wert auf eine deutliche Kennzeichnung und somit Trennung legen? Wie die weitere Entwicklung von Nativen Ads aussehen könnte, können wir nur erahnen, aber wenn wir uns die „Rechte und Pflichten“ von Facebook ansehen, denen die Nutzer zustimmen müssen, haben wir vielleicht schon eine Antwort auf unsere Frage. Sie besagen: „Du verstehst, dass wir bezahlte Dienstleistungen und Kommunikation möglicherweise nicht immer als solche kennzeichnen.“

Photo Credit: Created by Thomas Lorenz

Beitrag teilen:
Susanne GroissNative Advertising

Ähnliche Artikel

Join the conversation