Achtung: Ansteckungsgefahr! – Virales Marketing

Claudia Ganglberger

Das Werbevideo Supergeil, das vom deutschen Lebensmittelmarkt EDEKA veröffentlicht wurde, stürmte im Jahr 2014 die Social-Media-Kanäle und gilt seither als erfolgreiches Beispiel des viralen Marketings. Friedrich Liechtenstein, ein deutscher Musiker, Schauspieler und Unterhaltungskünstler, schlendert und tänzelt dabei durch den Supermarkt und betitelt die alltäglichen Produkte des Supermarkts als „supergeil“.

Innerhalb kürzester Zeit hat sich das Video wie ein Virus im Internet verbreitet und zählt mittlerweile auf YouTube fast 14 Millionen Views. Die Version von EDEKA befand sich zwischenzeitlich sogar unter den Top 100 der Download-Charts (ganz im Gegensatz zum Originaltitel vom Künstler Friedrich Liechtenstein). Die Werbung wurde zum populären Gesprächsthema, Beiträge in sozialen Medien und im TV folgten und analoge Mund-zu-Mund-Propaganda sorgte für eine kostenlose und rasche Weiterverbreitung. Sogar US-amerikanische Medien berichteten vom Erfolg des Videos – und in nahezu allen Beiträgen wurde das Unternehmen EDEKA namentlich genannt. Die Wirkung der Kampagne lässt sich mittlerweile auch in Zahlen fassen. Vor allem die jüngere Zielgruppe hat nach der Veröffentlichung des Videos die Kaufbereitschaft deutlich verändert. 50 Prozent der unter 30-Jährigen mit einem Haushaltseinkommen von über 1.500 Euro bevorzugten vor der Kampagne Aldi und Lidl für ihre Einkäufe. Inzwischen nehmen 47 Prozent dieser Zielgruppe auch schon EDEKA in die engere Auswahl [Q1]. Laut dem Unternehmen ist der positive Werbeeffekt deutlich sichtbar, obwohl in die Produktion des Videos nur wenig investiert wurde. Der Name bzw. die Marke EDEKA ist zwar nur sehr selten im Video zu sehen (geringes Maß an Product-Placement), aber dennoch ist der Erfolg für den Supermarkt deutlich zu spüren. Es stellt sich also nun die Frage, ob es für Unternehmen tatsächlich eine Art Erfolgsrezept gibt, um von derartigen Kampagnen zu profitieren.

Unter viralem Marketing versteht man das „gezielte Auslösen und Kontrollieren von Mund-zu-Mund-Propaganda zum Zwecke der Vermarktung von Unternehmen und deren Leistungen“ [Q2]. Informationen zu Produkten oder Dienstleistungen sollen sich also buchstäblich wie ein Virus, innerhalb kürzester Zeit über zahlreiche Personen hinweg, übertragen. Das Ziel ist, sich als Unternehmen von herkömmlicher Werbung zu unterscheiden, beispielsweise durch eine lustige, spannende oder einfach ungewöhnliche Botschaft. Das Publikum wird davon mehr oder weniger angesteckt und verbreitet dadurch die Botschaft im Bekanntenkreis freiwillig weiter.

Virales Marketing wird oft in zwei Arten unterteilt, die aktive und passive Konsumentenbeteiligung. Die aktive Variante stellt die übliche Form der Weiterempfehlung dar, wobei der Konsument selbst aktiv wird und die Leistung eines Unternehmens freiwillig teilt. Ein Beispiel hierfür stellt das interaktive Video A hunter shoots a bear von Tipp-Ex dar. Das Video handelt von einem Camper, der von einem Bären angegriffen wird. Sein Freund rät ihm, den Bären zu erschießen – kurzerhand durchbricht der Angegriffene den Filmrahmen und greift zur nebenstehenden Werbeanzeige, die die Tipp-Ex Pocket Mouse enthält. Er löscht das Verb shoot und hinterlässt stattdessen ein Textfeld, welches die Nutzer nun füllen können. Durch die Eingabe von beliebigen Verben wie kiss, eat, drive etc. wird die Geschichte des Videos verändert und ein kurzer amüsanter Film abgespielt. Mittlerweile zählt das Video auf YouTube bereits über 22 Millionen Views (Stand Juli 2015). Aufgrund der ungewöhnlichen Aufmachung und der Neuheit, dass mit einem YouTube-Video interagiert und in die Handlung eingegriffen werden konnte, wurde das Video rasch verbreitet. Social-Media-Kanäle spielten dabei eine wesentliche Rolle. Der hohe Unterhaltungswert lässt schnell vergessen, dass es sich eigentlich um ein Produkt handelt, für das freiwillig geworben wurde. Diese ungewöhnliche Umsetzung haucht der Werbebotschaft Leben ein und greift dadurch die Idee des Viralen auf.

Die zweite Art des viralen Marketings beschäftigt sich mit der passiven Form der Konsumentenbeteiligung. Hierbei empfiehlt der Nutzer das Unternehmen direkt durch die Verwendung des Produktes weiter. Beispielsweise konnte so der kostenlose E-Mail-Provider GMX rasch die Anzahl seiner Nutzer steigern, indem bei jeder versendeten E-Mail der Hinweis „Kostenlose E-Mail Adresse gibt es bei GMX.de“ angehängt wurde. Durch die automatische Empfehlung von Freunden steigerte GMX seine Bekanntheit, wodurch zahlreiche neue E-Mail-Accounts generiert werden konnten. Einer aktuellen Studie zufolge zählt GMX nun zu den beliebtesten E-Mail-Providern in Deutschland und deckt fast ein Drittel des privaten Marktes ab. Auch dieses Beispiel zeigt, dass durch virales Marketing durchaus kommerzielle Ziele erreicht werden können [Q3]. An dieser Stelle ist zudem anzumerken, dass durch die direkte Anführung des Firmennamens auch Elemente des klassischen Marketings enthalten sind. Diese Art der Marketingkampagnen müssen daher nicht nur virale Elemente enthalten, sondern können durchaus auch Mischformen sein.

Es gibt bestimmte Kernelemente, die maßgeblich zum Erfolg einer viralen Marketingkampagne beitragen können. Unternehmen sollen diese möglichst genau beachten, um im besten Fall wirtschaftlich davon profitieren zu können. Ein wichtiger Teil von viralem Marketing ist demnach die „Verpackung“ der Werbebotschaft. Es handelt sich selten um das eigentliche Verkaufsobjekt, vielmehr ist der Kern des Virus das sogenannte Kampagnengut. Es gibt also eine Art Köder, um die Aufmerksamkeit und die Motivation des Zielpublikums zu wecken. Die oben genannten Beispiele zeigen dies deutlich. Das EDEKA-Video zeigt selten die eigentliche Marke, der Inhalt dreht sich primär um die alltäglichen Produkte im Supermarkt. Allerdings zieht der ungewöhnliche Rhythmus und das auffällige Werbegesicht Friedrich Lichtenstein die Benutzer in seinen Bann.

Weiters sind auch die Eigenschaften des Kampagnenguts wichtig, denn nur, wenn es sich um etwas handelt, über das es sich zu reden lohnt, wird dies vom Kunden freiwillig über z.B. soziale Medien wie Facebook verbreitet. Die Inhalte einer derartigen Kampagne sollen daher beispielsweise unterhaltsam, neu, einzigartig und/oder außergewöhnlich sein. Das Video von Tipp-Ex nützt hier zum Beispiel die ungewöhnliche Interaktionsmöglichkeit bzw. die unterhaltsame Umsetzung der eingegebenen Begriffe, wodurch es sich deutlich von normaler Werbung unterscheidet. Zusätzlich soll es für den Konsumenten mit relativ wenig Aufwand und kostenlos möglich sein, die Kampagnengüter zu verbreiten, was in Zeiten von Facebook und Co für den Nutzer sehr einfach geworden ist.

Die Erfolgsmessung stellt allerdings immer noch ein großes Problem dar. Eine direkte Zählung ist schwer durchzuführen, da es immer eine Vielzahl an anderen Einflussfaktoren, wie zum Beispiel parallel laufende Werbekampagnen, gibt. Die Möglichkeiten zur Messung haben sich zwar durch die Weiterentwicklung des Internets stark verbessert, aber dennoch können Resultate nicht zu 100 Prozent genau nachverfolgt werden. Durch Tracking-Methoden können beispielsweise Nutzer, die die Werbebotschaft im World Wide Web gesehen haben, bis zum Kaufabschluss nachverfolgt und direkt zugeordnet werden. Will man aber dagegen den Erfolg offline nachvollziehen, gestaltet sich dies nach wie vor schwierig. Daher ist auch der Werbeerfolg der vorgestellten Beispiele wie bei EDEKA eher kritisch zu betrachten, da immer eine Vielzahl an Umweltfaktoren hinzugezogen werden muss. Auch die rasche Steigerung der Nutzer beim E-Mail-Provider GMX kann nicht nur dem viralen Marketingeffekt zugeschrieben werden, da sicherlich auch andere Faktoren zum Erfolg des Unternehmens beigetragen haben.

Damit eine rasche virale Verbreitung erfolgen kann, muss es sich für den Konsumenten also lohnen, das Unternehmen bzw. die Werbekampagne im Freundeskreis weiterzuempfehlen. Es ist also wichtig, eine Art Win-Win-Situation zu generieren, dass also sowohl Kunden als auch Unternehmen von der Verbreitung profitieren. Zu beachten ist aber, dass der Gewinn für das Unternehmen in Hinsicht auf Branding (Verankerung der Marke in den Köpfen der Nutzer), Image etc. immer höher sein wird als für den Konsumenten. Daher soll auch aus Sicht der Werbetreibenden die kommerzielle Absicht in der viralen Werbebotschaft so gut wie möglich verdeckt werden.

Virale Marketingkampagnen haben sich also in der Vergangenheit als gutes Mittel zur Bekanntheitssteigerung etabliert. Durch eine meist einfache Umsetzung von kreativen und unterhaltsamen Kampagnen können Unternehmen mit vergleichsweise wenig Medienbudget die Bekanntheit steigern und teilweise Einfluss auf das Verhalten bzw. die Meinung von Kunden ausüben. Dennoch ist die Gestaltung nach den oben angeführten Punkten kein Garant für eine erfolgreiche Kampagne, da die Reaktion der Kunden im Vorhinein nicht eingeschätzt werden kann. Im Vergleich zu klassischem Marketing ist zudem die Erfolgsmessung immer noch nicht zu 100 Prozent möglich, weshalb positive Resultate, vor allem am Point of Sale, oft nicht den viralen Marketingkampagnen zugewiesen werden können. Dennoch spricht die meist schnelle und virale Verbreitung über das Internet für sich und kann vor allem für Online-Ziele gut eingesetzt werden.

Quellen:
Q1: http://www.wiwo.de/unternehmen/handel/brandindex-edekas-supergeiler-werbeeffekt/9616516.html
Q2: Langner, Sascha (2005): Viral Marketing. Wie Sie Mundpropaganda gezielt auslösen und Gewinn bringend nutzen. Dordrecht: Springer. Online verfügbar unter http://swb.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=1205654.
Q3: http://newsroom.gmx.net/2015/02/23/neue-e-mail-studie-deutsche-bevorzugen-gmx-und-web-de-starkes-misstrauen-gegenueber-us-anbietern/

Beitrag teilen:
Claudia GanglbergerAchtung: Ansteckungsgefahr! – Virales Marketing

Ähnliche Artikel

Join the conversation