The online the better?

Vanessa Zeilinger

Menschen auf der Suche. Auch das hätte der Titel dieses Artikels werden können. Jeder sucht etwas anderes in seinem Leben: Viele wünschen und suchen die große Liebe, andere sehnen sich nach körperlicher Nähe, oder einfach nach jemanden, mit dem man reden kann. Wieder andere suchen ein Ventil, um Stress abzubauen oder spezielle Bedürfnisse zu befriedigen. Die Frage, die sich nun stellt, ist folgende: Wie beziehungsweise wo findet man einen Partner, der den eigenen Wünschen und Vorstellungen entspricht?

Für diesen Artikel wurden Interviews mit 15 Personen geführt, die bereits Erfahrungen mit Onlinedating gesammelt hatten und viele der Interviewpartner haben diese Frage mit einer Gegenfrage beantwortet:

„Wo, wenn nicht online, soll ich neue Leute kennen lernen?“

Natürlich besteht die Möglichkeit, zufällig jemanden kennen zu lernen. Beispielsweise bei einem Einkauf, im Job oder durch Bekannte, die einander vorstellen. Online kann jedoch die Suche oft gezielter verlaufen, da es hier die Möglichkeit gibt, selektiv vorzugehen und durch die Vernetzung im Internet auf einen viel größeren Pool an Menschen, als es im „echten Leben“ jemals möglich wäre, zuzugreifen. Je nach eigenen Vorstellungen besteht die Möglichkeit, Datingplattformen, virtuelle Welten, Spiele, Foren und vieles mehr zu nutzen.

Doch wer sind die User von Onlineplattformen? In der Literatur findet sich folgende Antwort: Personen, die entweder einer Minderheit an sexuellen Orientierungen angehören oder Personen, die frisch umgezogen und/oder geschieden sind. Dazu kommen noch Menschen, welche über wenig Freizeit verfügen. Es wird also darauf Bezug genommen, dass eine kleine Gruppe mit „besonderem Hintergrund“ Onlineplattformen nutzt. Oft wird auch die Möglichkeit, sich selbst attraktiver darzustellen, genannt. Dies ist natürlich auf Fotos und bei schriftlichen Angaben zur eigenen Person leichter zu bewerkstelligen, als wenn man sich physisch gegenüber steht. Ebenso lassen sich durch einen digitalen Chat unerwünschte Gefühlsregungen viel besser verstecken als bei einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht.

Entgegen den oben genannten Behauptungen geht der aktuelle Trend jedoch dahin, dass beispielsweise auch jüngere Personen, die das Gefühl haben, dass in ihrem beständigen Bekanntenkreis kein potenzieller Partner in Sicht ist, sich das Internet bei der Partnersuche zu Nutze machen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie dies von statten gehen kann.

Onlinedating-Plattformen boomen. Vergleicht man amerikanische Umfragen aus 2005, in denen 3% der Befragten angaben, ihre Partner online kennengelernt zu haben, mit Zahlen aus 2009, in denen es bereits 22% Prozent sind, kann man sich das große Potential des Internets ausmalen.Was macht das Onlinedating so reizvoll beziehungsweise welches Potenzial besteht darin? Was bringt Nutzer dazu, Geld für eine Plattform auszugeben? Ist es die Angst alleine zu bleiben? Einer der großen Vorteile, die das Internet bietet, ist die Möglichkeit der Selbstdarstellung ganz nach dem eigenen Geschmack. Durch das Internet erlangt man eine gewisse Anonymität, welches einem erleichtert sich selbst genau so darzustellen wie man eigentlich gerne sein möchte.

Wie funktionieren Onlinedating-Plattformen und was versprechen Sie?

Es gibt drei Punkte, mit denen zumeist geworben wird: 1. Finde das Perfect Match, 2.Singles mit Niveau und 3. ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Zumeist werden die Partnervorschläge aufgrund eines Algorithmus errechnet. Dabei werden die Angaben zur eigenen Person und die Erwartungen an den Partner mit den Angaben der potenziellen „Zielgruppe“ verglichen. Dieser kann natürlich nur so gut sein wie die Angaben der Singles selbst. Das Problem beziehungsweise der Konflikt, der hierbei entstehen kann, ist folgender: Jeder erwartet ehrliche Angaben von dem Gegenüber, aber schummelt sich selbst dabei etwas mehr dem Idealbild entgegen. Solange die Kommunikation auf elektronischer Basis verläuft, ist dies ja nicht allzu aufwändig. Dadurch können beim ersten physischen Treffen Enttäuschungen entstehen, denn die Algorithmen der Datingplattformen können beschönigende Angaben natürlich nicht verhindern.

Doch das macht zugleich auch das Besondere des Onlinedating aus! Verhaltensforscher würden dieses Verhalten nicht als Lügen bezeichnen, denn das „ideale Selbstbild“ ist an die eigenen Werte geknüpft und für jeden individuell. Und da es in der menschlichen Natur liegt, innere Konflikte zu vermeiden, liegen viele Aussagen, vor allem bei ernsthaften Suchen, ohnehin sehr nah an der Wahrheit.

Interessant zu beobachten ist, dass es einen Unterschied des Verhaltens von Menschen auf Onlinedating-Plattformen im Gegensatz zu anderen Online-Plattformen gibt. Während die Selbstdarstellung, beispielsweise in Online-Games, oftmals nicht mal annähernd der Realität entspricht, gibt es bei Dating-Plattformen eine starke Tendenz zur Ehrlichkeit. Zumindest was Vorlieben, Werte und Neigungen angeht. Einer amerikanischen Studie jedoch ist zu entnehmen, dass Äußerlichkeiten je nach Alter sehr wohl geschönt werden. Zwei bis zehn Kilo weniger und drei bis zehn Zentimeter Größe werden schon mal gerne weg oder hinzu gemogelt.

Natürlich stehen hier der Wunsch nach Ehrlichkeit und der Versuch, sich in möglichst guten Licht zu zeigen, in Konkurrenz zueinander. Das liegt aber weniger am Medium Onlinedating als an der menschlichen Natur. Es liegt also nahe, dass wir uns im Gebrauch von Online Tools nicht wesentlich anders verhalten als in der „Realität“. Allerdings könnte man unterstellen, dass es einem in diesem Medium erst einmal leichter gemacht wird, anderen etwas vorzumachen. Doch, wie schon gesagt, die Enttäuschung ist dann möglicherweise gleichfalls grösser.

Ein weiterer positiver Aspekt, den Nutzer von Onlineplattformen anführen, ist die Sicherheit die Kontrolle über ein Szenario zu behalten. Es ist einfacher ein Nein zu tippen als eines auszusprechen. Des Weiteren besteht immer die Möglichkeit, ein Gespräch einfach abzubrechen, indem man sich nicht mehr meldet, einen User der unsittlich auftritt meldet, oder im schlimmsten Fall das eigene Profil einfach löscht. Zuhause in den eigenen vier Wänden muss niemand, der nicht spontan ist, sofort auf eine Nachricht antworten. Es kann sich die Zeit genommen werden, um an einer Antwort zu basteln.

Abseits der klassischen Datingplattformen gibt es, wie bereits angesprochen, auch noch andere Wege über das Internet Personen kennen zu lernen. Ein befragtes Pärchen lernte sich über ein Online-Spiel und der dort gebildeten Allianz kennen. Anfangs stand hier das Spiel im Mittelpunkt, ohne dass Gedanken an einen tieferen Hintergrund verschwendet wurden. Erst als das allabendliche Onlinetreffen zur liebgewonnen Gewohnheit wurde, bemerkten beide, wie sehr sie nicht nur das Spiel, sondern auch die Anwesenheit des anderen schätzten. Und nach einer ca. einjährigen „Anbahnungsphase“ kam es erstmals zu einem Treffen.

Spielerisches Kennenlernen wird durch das Internet unterstützt. Personen, die niemals einen Zugang zu einander gefunden hätten, können durch gemeinsam verbrachte Zeit sich selbst und auch den anderen ganz nebenbei kennenlernen. Doch nicht in allen Fällen kam es zu einem Treffen in der realen Welt. Viele suchten einfach auch nur online etwas, dass ihnen in ihrem Alltag gerade nicht zur Verfügung stand. Beispielsweise die Bestätigung vom anderen Geschlecht für interessant und witzig gehalten zu werden, ohne jemals die Absicht gehabt zu haben, sein Gegenüber wirklich zu treffen.

Wieder andere berichteten von einem ersten Treffen,  bei dem sie das Gefühl hatten, den anderen schon ewig zu kennen. Dies beruht darauf, dass bei Gesprächen, die über einen Chat abgehalten werden, wirklich das Geschriebene beziehungsweise Besprochene im Vordergrund steht. Je länger die Kennenlernphase, desto tiefer oder persönlicher werden oftmals die Gespräche. Auch durch die Anonymität, die einem das Internet vermittelt, kann es geschehen, dass man Dinge offenbart, die man niemals einem Freund erzählen würde. Unterschiedliche Zeitzonen oder Tagesrhythmen sind dabei völlig egal, denn die Technologie ermöglicht es, immer verfügbar zu sein. Und wenn doch mal jemand nicht antwortet? Fällt es rein technisch gesehen leicht, jemand Neues zu suchen.

Beziehungen, die aus Onlinebekanntschaften resultieren, können sehr schnell in 2 Extreme ausarten: physisches Kennenlernen – Hochzeit oder physisches Kennenlernen – bittere Enttäuschung im alltäglichem Zusammenleben und Trennung. Warum ist das so? Aufgrund einer langen Kennenlernphase im Vorhinein kann schon sehr viel erkundet und mit den eigenen Idealen abgeglichen werden. Trifft man sich nach einer Phase tiefer Vertrautheit, kann sehr schnell ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen, das einen veranlasst einen weiteren Schritt zu gehen. Allerdings kommt es auch vor, dass jemand unbewusst so idealisiert wurde, dass sehr viele Gesichtspunkte ausgeblendet wurden, die sich im Alltag dann als Problem herauskristallisieren.

Eine ganz andere Form von „Datingplattformen“ sind Apps wie Tinder oder Grinder. Hierbei steht vor allem die schnelle körperliche Nähe im Vordergrund. Damit ist gemeint, dass das Ziel ist, möglichst schnell jemand in der unmittelbaren Umgebung zu finden, mit dem man einfach nur Sex haben kann. Auch hierbei hilft das Internet. Schnell und gleich in nächster Nähe ist es möglich, Partner zu finden, denen gerade der Sinn nach denselben Dingen wie einem selbst steht. Und dies noch dazu weitaus „unauffälliger“, als jemanden in einer Bar mit einem billigen Spruch wie: “Na, wie wär’s mit uns zwei.“ zu nerven.

35% der Menschen auf unserem Planeten besitzen einen Internetzugang. Welche Art von Onlinedating und ob Menschen überhaupt Onlinedating betreiben, ist abhängig davon, was sie suchen und wie sehr sie sich von ihrem Umfeld beeinflussen lassen, denn je mehr Leute im näheren Umkreis positive Erfahrungen mit Onlinedating gemacht haben, desto geringer ist die Hemmschwelle es selbst auch zu versuchen. Der Unterschied zwischen Onlinedating und „normalen Dating“ besteht nicht nur in der Art der Präsenz, sondern wird durch oben genannte Faktoren beeinflusst. Hinzu zählen beispielsweise die Bereitschaft zur Offenheit, zur Direktheit und aber auch die Möglichkeiten des Internets, sich zu „verstecken“ und dabei aus einer sicheren Position heraus dennoch aktiv zu sein. Es gibt Forschungen zu dem Thema, wie sehr das Internet und das Gefühl vernetzt zu sein die generelle Einstellung zu Beziehungen beeinflussen.

Manche behaupten, durch die unbegrenzten Möglichkeiten des Internets möchten sich nur noch wenige auf einen Partner festlegen. Es kommt immer häufiger zu lockeren zwischenmenschlichen Beziehungen, den sogenannten „Mingels“. In denen keiner wirklich weiß, woran er ist und was von der Beziehung zu einander zu erwarten ist. Einerseits ist diese Aussage aufgrund der Möglichkeiten des Internets durchaus nachvollziehbar, andererseits darf auch nicht vergessen werden, dass es immer auf einen selbst ankommt und auf welche Art das Internet zu nutzen man sich festlegt. Jeder muss selbst entscheiden, wonach er sucht. Eine langfristige Beziehung? Einen netten Flirt? Jemanden, der einen kurzfristig aufbaut? Oder vielleicht einfach nur Sex? Das Angebot ist da – Make the best out of it!

Quellen:
Eli J. Finkel, Paul W. Eastwick, Benjamin R. Karney, Harry T. Reis, and Susan Sprecher (2012): Online Dating: A Critical Analysis From the Perspective of Psychological Science
Faye Mishna, Michael Saini: Real-World Dangers in an Online Reality: A Qualitative Study Examining Online Relationships and Cyber Abuse
Gibbs, J. L., Ellison, N. B., & Heino, R. D. (2006). Self-presentation in online personals: The role of anticipated future interaction, self-disclosure, and perceived success in Internet
Jennifer L. Gibbs, Nicole B. Ellison, Chih-Hui Lai (2010): First Comes Love, Then Comes Google: An Investigation of Uncertainty Reduction Strategies and Self-Disclosure in Online Dating
Aj Baker (2005): Double click: Romance and commitment among online couples
Rosenfeld M. J., Thomas R. J. (2010, September). Meeting online: The rise of the Internet as a social intermediary. Unpublished manuscript, Department of Sociology, Stanford University, Stanford, CA
www.InternetWorldStats.co

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