Internetnutzung im Alter

Michael Neumüller

Seit den Anfangsjahren des Webs unterscheiden sich seine Nutzer hinsichtlich ihrer soziodemographischen Merkmale. Die Gründe dafür sind oft vielschichtig und ermöglichen uns tiefere Einblicke in die Internetkultur.

Einen besonderen Stellenwert bei der Internetnutzung hat das Alter der Nutzer, weil sich durch dieses einerseits ganz unterschiedliche Zugänge zu diesem Medium als auch andererseits sehr unterschiedliche Beweggründe für die Nutzung ergeben. Speziell die Nähe zum Web spielt dabei eine zentrale Rolle. Heute 80-Jährige Menschen wuchsen in einer weitaus weniger technologisierten Welt auf, als die Generation der Digital Natives. Die technologischen Veränderungen während ihres Lebens waren enorm. Verglichen damit sind jüngere Jahrgänge praktisch mit der Web-Technologie aufgewachsen und dementsprechend gibt es hier weniger „Barrieren“ bei der Benützung. Speziell die Bevölkerungsstruktur in entwickelten Industrienationen verändert sich dahingehend, dass immer mehr Menschen ein höheres Lebensalter erreichen. Zusätzlich herrscht in vielen dieser Länder eine vergleichsweise niedrige Fertilitätsrate. Dies bedeutet, dass die Bevölkerung mittel- bis langfristig aus mehr älteren Menschen besteht. Daher wird zukünftig auch das Alter der Internetnutzer steigen. Darum stellt sich auch die Frage, ob und wie diese Menschen mit dem Internet umgehen können.

Um das Nutzungsverhalten zu analysieren unterscheidet man verschiedene Stufen der Internetnutzung: Simple Erschließung (technische Grundkompetenz, Bedienwissen), sinnvolle Nutzung (Kommunikation, Recherche), Mediengestaltung (Partizipation) und schließlich die Vergemeinschaftung (Community of good practice, Online‐Community &  Collaboration). Je nachdem wie ausgeprägt die Fähigkeiten einer Person in Bezug auf die Internetnutzung sind, umso eher können die Bereiche der Partizipation beziehungsweise der Online-Communities & Collaboration erschlossen werden. Hier lässt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Generationen feststellen: Während die ältere Jahrgänge Generation das Internet eher zur Informationsbeschaffung verwendet, verwenden es junge Menschen vorwiegend zur Kommunikation bzw. als Unterhaltungsmedium. Ältere Jahrgänge besitzen also eher die Grundkompetenz, bzw. die sinnvolle Nutzung, während die jüngere Generation auch in die Bereiche der Partizipation und die Vergemeinschaftung vordringen. Ziel dieses Artikel ist also keineswegs die Frage nach dem Warum diese Distanz existiert sondern viel mehr, wie man diese Distanz verringern könnte.

Immer mehr Bereiche des täglichen Lebens, wie Bankgeschäfte, Konsum und Kommunikation verlagern sich ins Web. Deshalb kann es vor allem für ältere Menschen von Vorteil sein, sich bereits jetzt intensiver mit der Internetnutzung auseinanderzusetzen, um mögliche zukünftige Barrieren zu vermeiden. Es sind bei den genannten Bereichen lediglich Grundkompetenzen nötig, was nicht nur eine erleichterte Bedienung durch den Kunden ermöglicht, sondern in erster Linie mehr potentielle Kunden für die Unternehmen. Obwohl es auch diese Grundkompetenzen bei vielen älteren Menschen nicht vorhanden sind, kann man allerdings bei vielen anderen Technologien (z.B. E-Mobilität, bargeldloser Zahlungsverkehr) beobachten, dass derartige Entwicklungen Jahre bis Jahrzehnte dauern können, d.h. auch das Internet kann bestehende Strukturen nicht über Nacht umstellen. Es ist also aktuell noch leichter, ohne Internet auskommen zu müssen, als es das in Zukunft der Fall sein wird. Als relativierend kann dabei noch betrachtet werden, dass in künftigen Jahrzehnten auch die ältere Generation schon mit dem Internet vertraut sein wird – es ist also durchaus legitim und für viele der älteren Generation vielleicht auch beruhigend, nicht vom ubiquitären Medium Internet “abhängig” zu sein. Allerdings lässt sich auch beobachten, dass durchaus versucht wird, die Distanzen zu diesem Medium abzubauen. Als Beispiel kann dazu genannt werden, dass es speziell im Online-Shopping Bereich immer einfacher wird eine “erfolgreiche” Transaktion abzuschließen. Sehr einfache Gestaltung (man weiß sofort, auf welchen Button man klicken muss, um beispielsweise ein Produkt zu kaufen) und auch die immer weniger werdenden Schritte die benötigt werden, um den Kauf abzuwickeln sind dazu nur zwei Beispiele.

„Es scheint zwar so, dass die ältere Generation durch das Medium Internet zwar nicht benachteiligt wird, doch sie können durchaus benachteiligt sein, wenn sie keine Nutzungskompetenz aufweisen – aber muss das sein?”

Speziell für Unternehmen sind ältere Internetnutzer eine sehr interessante Zielgruppe. Nicht nur, dass die Anzahl stark wächst, in dieser Altersgruppe ist auch die Zahlungsbereitschaft bzw. die Zahlungsfähigkeit eine andere als beispielsweise bei Jugendlichen. Aufgrund der Unterschiede in der Sozialisation der verschiedenen Altersgruppen – war es bei älteren Personen beispielsweise noch der Krämerladen, wo man die Ware noch über die Theke überreicht bekam, bevor es flächendeckend zur Etablierung der Selbstbedienungs-Supermärkte kam, – so ist die jüngere Generation schon mit dem Online-Markt aufgewachsen. Hier ergeben sich Diskrepanzen zwischen den Generationen. Diesen “Vorsprung” der jüngeren Generation kann man durchaus auch als Nachteil der älteren Generation bezeichnen, da ältere Menschen neue Online-Geschäfte eher skeptisch betrachten. Hier sei beispielsweise die Bereitschaft der Herausgabe persönlicher Daten genannt, die bei jungen Menschen durchaus stärker ausgeprägt ist als bei älteren. Dabei eröffnen sich gerade für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, wovon der Anteil in der älteren Generation signifikant höher ist, große Chancen. Diese eingeschränkte Mobilität kann Menschen das Internet durchaus schmackhaft machen, beispielsweise bei Lebensmitteleinkäufen mit Zustellung in ländlichen Gebieten. Speziell das “Internet of Things” bietet hier sehr viele Möglichkeiten, seien es Automatisierungen im Haushalt oder in der Pflege, wo durch immer einfachere Bedienung für diese Zielgruppe große Vorteile entstehen.

Nicht zuletzt durch die immer mehr werdenden Angebote für Internetuser über 50, den sogenannten Silversurfern – es hat natürlich auch damit zu tun, dass jene Gruppe auch durch das Berufsleben zwangsläufig in Kontakt mit dem Medium Internet kommt, bzw. in Zukunft auch damit aufgewachsen werden sein wird – nimmt der Anteil jener Gruppe immer mehr zu. Ein Beispiel für Angebote, die speziell auf ältere Personen gerichtet sind, sind die so genannten Internet-Patenschaften in Deutschland, wo gezielt Hilfestellungen angeboten werden. Diese Patenschaften werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert und unter anderem in Unternehmen, Organisationen, Verbänden, Netzwerken und Kommunen angeboten. Unterschieden werden dabei Patenschaften, die von bereits vorab bekannten Personen eingegangen und jene, die gänzlich über Online-Bekanntschaften übernommen werden. Das bedeutet, dass man sich außerhalb des Mediums Internet nie kennengelernt hätte, wozu auch ein gewisses Vertrauen nötig ist. Das Ziel der Internet-Patenschaften ist es, speziell älteren Menschen den Umgang mit dem Internet zu erleichtern. Die Kompetenzen sollen dabei immer weiter gesteigert bzw. gefestigt werden.

Es scheint zwar so, dass die ältere Generation durch das Medium Internet zwar nicht benachteiligt wird, doch sie können durchaus benachteiligt sein, wenn sie keine Nutzungskompetenz aufweisen – aber muss das sein? Betrachten wir das Internet einmal als das was es ist, nämlich als ein Werkzeug mit den Möglichkeiten einer digitalen, codebasierten, automatisierten, zur Vermessung des Menschen fähigen Maschine, welche noch dazu über eine enorme Anpassungsfähigkeit verfügt. Beispielsweise gibt es bei vielen Geräten schon eine so genannte Gestenerkennung bzw. -steuerung, bei der durch einfache Bewegungen eine Mensch-Computer-Interaktion stattfinden kann. Prinzipiell kann dabei jede Körperhaltung bzw. Bewegung als Geste erkannt werden und dem entsprechende Befehle im Hintergrund ausgeführt werden. Auch die Sprachsteuerungen von modernen Geräten werden immer besser und können vielleicht in naher Zukunft schon die klassischen human interface devices, wie Maus und Tastatur ablösen. Durch das Interagieren mit Gestik, Mimik, oder Sprache bietet sich für die ältere Generation also eine hervorragende Chance der Kommunikation mit den neuen Medien mit den ihnen bekannten bzw. ihnen möglichen Abläufen (sei es die Körperhaltung, die Sprache oder eine Bewegung), mit diesem Medium zu kommunizieren, wozu sie ohne diese Hilfsmittel nicht in der Lage wären. Die Weichen für ein “Internet für Alle” sind also durchaus gestellt.

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