Remote-Arbeit in Corona-Zeiten

Gertrude Dienstl-Ottensamer

Am Freitag, den 13. März 2020 hieß es plötzlich „Shut-down – alles steht still!“ Das Leben änderte sich praktisch von heute auf morgen für Einzelpersonen, Familien, Unternehmen, ja die ganze Wirtschaft und Gesellschaft. Menschen durften nicht mehr auf die Straße gehen und alles wurde ins Eigenheim verlagert. Viele Unternehmen, öffentliche Institutionen sowie Schulen standen vor der Herausforderung die Arbeit – wenn möglich – ins Home-Office zu verlegen.  Remote arbeiten hieß die Devise. Dort wo es möglich war und es nicht bereits Home-Office-Regelungen gab, wurden diese im Eiltempo erstellt, um Menschen Zugang zu den benötigten Arbeitsunterlagen zu gewährleisten. Lehrerinnen und Lehrer gaben plötzlich ihre privaten Telefonnummern und E-Mail-Adressen bekannt, um mit Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu bleiben und diese mit Lehrmaterial zu versorgen. Videokonferenz-Tools erlebten einen Hype und selbst Kleinkinder im Kindergarten- und Volksschulalter kommunizierten mittels Webtechnologien mit Oma und Opa.

Doch was wäre gewesen, wenn es am Tag des Shut-downs keine Webtechnologien – also kein Internet, keine Messenger, keine Videokonferenz-Tools, etc. und somit auch keine „Remote-Arbeit“ gegeben hätte?

Webtechnologien ermöglichen es vielen Personengruppen selbst in Krisenzeiten ihrer Arbeit oder ihre Ausbildung nachzugehen. Sie ermöglichen soziale Kontakte aufrecht zu erhalten und sich mit Unterhaltungsmedien wie YouTube & Co. die Zeit zu vertreiben. Programme dafür gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Es kann aus einer Vielzahl an Angeboten für Büroorganisation, Kommunikation (Chats, Videokonferenzen, Messenger), Unterhaltung ausgewählt werden, dies unabhängig von Ort und Zeit sowie oftmals kostenlos. Programme werden vielfältiger und die Nutzung dieser wird individueller sowohl auf Unternehmens- als auch auf persönlicher Ebene. Dies führt dazu, dass aufgrund der intensiven Nutzung Softwarelösungen neu entwickelt oder überarbeitet werden müssen.

Durch dieses – aufgrund von Corona – aufgezwungene Remote-Arbeiten verschwimmen Berufliches und Privates sehr stark. Was vorher eine freiwillige Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und oftmals ein Privileg von Einzelpersonen war, da es Vorteile wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, kürzere Arbeitswege oder effizienteres Arbeiten mit sich bringt, ist jetzt durch die zeitliche Überlagerung von Beruflichem und Privatem eine Belastung. Gleichzeitig zu arbeiten und zum Beispiel Kinder zu betreuen oder zu unterrichten, ist eine Herausforderung, der Familien über einen längeren Zeitraum nicht gewachsen sind. Die Vorteile der Effizienzsteigerung durch fokussiertes Arbeiten im Home-Office oder durch das Abhalten von zielorientierten Meetings mittels Videokonferenztools werden dadurch aufgehoben und führen zu einer weiteren Verdichtung der Arbeit. Nicht selten kommt es vor, dass neben Videokonferenzen E-Mails gecheckt oder andere (private) Tätigkeiten erledigt werden, was vorher aufgrund physischer Präsenz im Unternehmen nicht möglich war. Weiters wird die Kommunikation zwischen Arbeitskolleginnen und -kollegen bzw. deren Vorgesetzten auf das „vermeintlich Wesentliche“ reduziert, wodurch vieles, was zum Beispiel nonverbal kommuniziert wird, nicht mehr wahrgenommen werden kann und somit verloren geht. Informationen und Emotionen, die vor dem Shut-down in der Kaffeeküche oder zwischen „Tür und Angel“ ausgetauscht wurden, gehen verloren. Den nicht geplanten, informellen Austausch zwischen Arbeitskolleginnen und -kollegen gibt es praktisch kaum mehr.

Führungskräfte sind in dieser Zeit besonders gefordert, da sich die Rahmenbedingungen geändert haben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht mehr vor Ort, sondern online verfügbar und entziehen sich daher deren Kontrolle. Ihnen fehlt oftmals die Erfahrung in der Leitung von virtuellen Teams. Digitale Fähigkeiten hinsichtlich Kommunikation, Motivation, Messung von Leistung, etc. werden plötzlich benötigt und das Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rückt in den Vordergrund.

All diese Punkte, die Unternehmen bereits vor große Herausforderungen stellen, sind auch in den Bildungseinrichtungen zu sehen, wobei die Situation noch prekärer scheint.  Hier geht es um das Spannungsfeld zwischen Schule, die je nachdem, um welche Schule es sich handelt, dem Bund oder den Ländern unterstellt ist, der Gemeinde, Eltern und Schüler. In diesem Zusammenhang schnell und flexibel Rahmenbedingungen zu schaffen, um Schulen und deren Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler innerhalb kürzester Zeit arbeitsfähig zu machen, ist beinahe unmöglich. Es fehlt sowohl an Infrastruktur, was sich zum Beispiel darin äußert, dass Schülerinnen und Schüler nicht mit entsprechenden PCs oder mobilen Endgeräten ausgestattet und somit nicht erreichbar sind, als auch an digitalen Kompetenzen auf Lehrer- und Schülerseite sowie Motivation.

Ob die Arbeitswelt nach dem Shut-down wieder genau so aussehen wird wie vorher, kann zum derzeitigen Zeitpunkt niemand sagen. Durch Remote-Arbeit und Distance-Learning konnte jedoch gezeigt werden, dass die Digitalisierung es grundsätzlich ermöglicht, einer Arbeit oder einer Ausbildung nachzugehen, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Jetzt ist es an der Zeit, die Lehren daraus abzuleiten:

Erstens ist es wichtig, sich mit Digitalisierungsthemen intensiv auseinanderzusetzen. Digitalisierung kann und wird die Gesellschaft grundlegend verändern. Ein breiter öffentlicher Diskurs muss daher stattfinden, nicht nur wie die Wirtschaft von der Digitalisierung profitieren kann, sondern auch wie sich diese auf die gesamte Wirtschaft inkl. Arbeitswelt, die Gesellschaft und Einzelpersonen auswirkt. Die zentrale Frage muss dabei sein, wie digitale Produkte, Medien, etc. aktiv gestaltet werden können, damit sie den größtmöglichen Nutzen stiften.

Zweitens ist es wichtig Rahmenbedingungen zu schaffen. Corona hat gezeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, von zu Hause aus zu arbeiten. Für all jene, die sich bereits zuvor mit Digitalisierung beschäftigt haben oder Erfahrung mit Remote-Arbeit hatten, war die Umstellung einfacher. Was nun benötigt wird, sind technische (Infrastruktur, IT-Sicherheit, etc.), rechtliche (Arbeitsrecht, Datenschutz, etc.) und zwischenmenschliche (virtuelle Arbeits- und Kommunikationsmodelle, etc.) Rahmenbedingungen, die Remote-Arbeit ermöglichen. Hier sind Politik, Sozialpartner und Unternehmen gefordert, entsprechende Lösungen zu finden.

Drittens geht es um persönliche und digitale Kompetenzen, die sich jeder einzelne aneignen muss. Es geht um Selbstmanagement und -steuerung, Motivation, virtuelle Kommunikations- und Führungsfähigkeiten. Dabei handelt es sich um Kompetenzen, die nicht von heute auf morgen erlernt werden können. In diesem Fall ist das Bildungssystem gefragt, diese Kompetenzen frühzeitig zu vermitteln. Eine entsprechende Qualifizierung des Lehrpersonals geht damit einher. Es sind aber auch die Unternehmen gefordert, entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten anzubieten.

Wie die Arbeitswelt in Zukunft aussehen wird, wird sich herausstellen. Wahrscheinlich wird es einen Mix aus Präsenz und Home-Office geben. Die Kombination aus beiden Welten bringt aus jetziger Sicht die meisten Vorteile mit sich.

Die zu Beginn gestellte Frage: „Was wäre gewesen, wenn es am Freitag, den 13. März 2020 (am Tag des ersten Shut-downs) keine Webtechnologien gegeben hätte?“, lässt nur Spekulationen zu. Was die Krise jedoch gezeigt hat, ist, dass Menschen anpassungsfähig sind und sich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen können. Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen, Gruppen oder ganze Gesellschaften gezwungen werden, Altbewährtes zu hinterfragen, sich Alternativen zu suchen und/oder neue Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Motive hierfür können vielschichtig sein. Eines vereint diese Menschen jedoch, sie werden aufgrund von gesetzlichen oder sozialen Normen bzw. Rahmenbedingungen dazu gezwungen, neue Wege zur Kommunikation oder zur Informationsbeschaffung bzw. -bereitstellung zu suchen – sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt.

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