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Bianca Haun

Sich Gegenstände wie Keksausstecher, Ersatzteile, Spielfiguren und Waffen aus dem Netz zu laden und dann zu Hause auf dem 3D-Drucker auszudrucken, ist heutzutage für viele Personen – auch wenn sie, wie im Falle von Pistolen, durch die Wucht des Schusses oft selbst explodieren – möglich. Doch mit Werkzeugen, Küchenutensilien, Spielzeug oder selbst entworfenen Figuren ist das Potenzial des 3D-Drucks noch bei weitem nicht ausgenutzt. Auch in der Bau- und Autoindustrie werden – mittlerweile noch versuchsweise – 3D-Drucker eingesetzt. Welche Auswirkungen dies auf die genannten Branchen und den Arbeitsmarkt haben wird, ist noch schwer abschätzbar. Mutieren wir zu einer Plastic Society?

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War 2004 ein Auto herunterzuladen noch absoluter Irrsinn, ist es genau zehn Jahre später nicht mehr ganz so abwegig. Gerade im Bereich der Automobilindustrie gibt es im Moment mehrere Projekte, die sich vielversprechend anhören. Der URBEE-2 soll das “grünste” Auto werden, bei dem nicht nur die Hülle des Autos, sondern auch ein großer Teil des Innenlebens mit 3D-Druckern produziert und das Auto mit erneuerbaren Energien gefahren wird. Es soll außerdem außergewöhnlich sparsam im Verbrauch von Treibstoff sein. Vor allem die Frage des Materials ist bei Autos interessant, da es hier ganz speziell um Gewicht, Sicherheit und Festigkeit geht – was im Falle eines Unfalls alles entscheiden kann. Sollten in Medienberichten mit 3D-Druckern produzierte Autos öfter in Unfälle verwickelt sein und dort gegenüber traditionellen Autos schlechter abschneiden, würde die Nachfrage sehr schnell abfallen. Als Material wird für den URBEE-2 deswegen ABS-Plastik (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat) verwendet. Bei entsprechender Erwärmung schmilzt es, um gut für den Druck verwendet werden zu können; beim Verhärten wird es ein sehr stabiles und hartes Material. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Plastik an unterschiedlichen Stellen verschieden dick sein kann. Aus diesem Grund kann das Auto an den wichtigsten Stellen dementsprechend robust gestaltet werden. Produziert werden die gedruckten Teile bei Redeye/Stratasys, einem Dienstleister, der mit 100 industriellen 3D-Druckern ausgestattet ist. Für den URBEE-2 gibt es bis jetzt vierzehn Bestellungen, der genaue Preis ist noch nicht fixiert, er wird aber auf ungefähr 50.000 US-Dollar geschätzt.

Diese Entwicklung haben sich auch andere Hersteller zu Nutzen gemacht. So stellt der EDAG Genesis aus Deutschland ein besonderes Konzept dar: Bei diesem Auto wird der gesamte Körper in nur einem Durchgang gedruckt. Ein innenliegender Skelettrahmen gibt dem Ganzen  zusätzliche Sicherheit. Allerdings führt genau diese eine Komponente zum Problem, dass ein Defekt im Gehäuse dessen gesamten Austausch notwendig macht, was mühsam und kostenintensiv ist.

Auch Ivan Sentch, ein Programmierer aus Neuseeland, hat sich zum Ziel gesetzt, ein Auto mit  einem handelsüblichen 3D-Drucker selbst zu produzieren. Er arbeitet daran, einen Aston Martin DB4 zu Hause in seiner Garage auszudrucken, dessen viele Einzelteile dann im nächsten Schritt zusammengefügt werden. Ob dieses Auto dann auch fahren wird und ob es von den Materialien her stabil genug ist, um bei einer Erschütterungen keine Schäden davonzutragen, muss sich allerdings erst zeigen. Es ist jedenfalls im Vergleich zur gängigen Praxis, Autos in sehr wenigen Einzelteilen zu produzieren, ein vollkommen anderer Ansatz.

Fertig-Teil-Haus

Autos sind nicht die einzigen größeren Projekte, die im Moment mit 3D-Druckern realisiert werden, auch die Bauindustrie hat den 3D-Drucker für sich entdeckt.
In Amsterdam wird das „3D Print Canal House“ produziert, bei dem ein riesiger 3D-Drucker mit der Bezeichnung “KamerMaker” das Haus vor Ort druckt. Angelegt ist das Projekt – oder besser gesagt: Experiment – auf drei Jahre, in denen schrittweise immer wieder neue Teile hinzugefügt werden. Als Material wählten die Initiatoren, DUS Architekten (www.dusarchitects.com) aus Amsterdam, Bioplastik, eine Form von industriellem Kleber, welcher zu 80 Prozent aus Pflanzenöl besteht. Das Haus wird auch schon während der gesamten Bauphase als Ausstellungsraum verwendet, wodurch die Besucher und Besucherinnen einen Einblick in die Entstehungsphase eines 3D-gedruckten Hauses bekommen. Gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Politik erforschen die niederländischen Architekten anhand dieses Projekts die Auswirkungen der digitalen Produktion auf Vorschriften und Beschäftigungsmöglichkeiten. Es sei nämlich definitiv eine Herausforderung, so die Architekten, dass ein „solches Gebäude allen Bauvorschriften entspricht“. Das betrifft zum Beispiel die Frage der Isolierung, Brandschutz oder Windlasten – aber auch mögliche Materialien. Ziel ist es, eine kostengünstige Gebäude-Technik für den Bau von nachhaltigen und komfortablen Häusern zu schaffen.

Ganz anders hingegen ist der Ansatz eines Unternehmens in China, welches ganze zehn Häuser in nur 24 Stunden mit einem 3D-Printer produzierte. Diese Geschwindigkeit wird durch einen schnell trocknenden Zement ermöglicht. Auch der Produktionspreis von etwa 4.800 US-Dollar pro Haus scheint nahezu revolutionär. Einzelne Blöcke werden in einer Fabrik gedruckt und auf der Baustelle zusammengefügt. Die Häuser sind 10 Meter breit und 6,6 Meter hoch, bei der Länge wurden verschiedene Größen ausprobiert. Für westliche Verhältnisse erscheint das Haus aus dem Drucker also sehr klein, sie könnten jedoch zum Beispiel helfen, die Wohnungsproblematik in Entwicklungsländern zu entschärfen, wären bei Katastrophen schnell aufbaubar und für Personen mit (temporär) geringeren Wohnansprüchen wie Studierende oder Obdachlose schnell verfügbar.

Monolite UK, ein Unternehmen aus Großbritannien, spezialisiert sich wiederum auf die Produktion von D-Shape, einem robotischem 3D-Plotter. Mit seiner Hilfe können Häuser aus Sand, der mit einem Bindemittel gefestigt wird, produziert werden. Das Material hat in seiner gehärteten Form eine sehr starke Ähnlichkeit zu Sandstein, ist aber bei weitem witterungsbeständiger. Durch die Verwendung von Sand als Hauptbestandteil des Materials ist dieses im Vergleich zu Plastik wesentlich umweltfreundlicher. Im Gegensatz zu den anderen Materialien, die für den Hausbau verwendet werden, wird bei dieser Bauweise mit Sand das Material nicht vermischt, sondern Schicht für Schicht aufgetragen. Das hat den Vorteil, dass nach dem Druck das Material nicht noch einmal nachbehandelt werden muss. Bei der Konstruktion und Planung stehen somit sehr viele Möglichkeiten offen. Auf der Website des Anbieters finden sich Anwendungsbeispiele wie Bushaltestellen, Springbrunnen, Fantasiegebäude für Spielplätze, Höhlen für Zoos, Friedhöfe, Parkbänke und viele mehr.

Interessant zu beobachten ist, dass unter den verschiedenen Anbietern von 3D-Druckern für den Hausbau mit unterschiedlichen Materialien und Auftragetechniken gearbeitet wird. Die Technik ist eindeutig noch in der Experimentierphase und es wird noch stark nach Alternativen zum traditionellen Hausbau gesucht. Dies liegt mitunter daran, dass diese Verfahren neue Möglichkeiten bieten, den Hausbau energieeffizienter, ressourcenschonender und kostengünstiger (da viel weniger Bauarbeiter an einem Projekt tätig sind) zu gestalten.

Home-Made-Products

Natürlich werden 3D-Druck-Großprojekte wie Autos und Häuser nicht in der Garage von einer Privatperson ausgedruckt, da professionelle 3D-Drucker für diese Größenordnungen zu teuer sind. Die Produkte werden immer noch von Unternehmen, die darauf spezialisiert sind, produziert und dies wird wohl auch immer so sein, da einerseits nicht jeder die Möglichkeit und das Interesse daran hat, sich sein Auto selbst zusammenzustellen, und andererseits die Sicherheitsbestimmungen von den Unternehmen am besten umgesetzt werden können.  Allerdings ist es jetzt schon möglich, dass Privatpersonen ihre Pläne den 3D-Druck-Unternehmen schicken und diese dann das gewünschte Produkt anfertigen. Die Verbreitung der 3D-Drucker schreitet schnell voran und somit auch die Individualisierung von Produkten.

Wird sich die Gesellschaft in eine neue Plastic Society verwandeln? Es werden sich auch hier neue Regeln und Vorschriften entwickeln müssen, denn nicht alles was möglich ist, ist auch erlaubt und sicher. Auf jeden Fall erlaubt der 3D-Druck nicht nur in der Konzeption eine starke Individualisierung, sondern hat auch das Potenzial, kostengünstiger, mit umweltschonenderen Materialien, geringen Arbeitsaufwand und Transportkosten einen ganzen Industriezweig energieeffizienter zu gestalten. Es kommt allerdings darauf an, wie damit umgegangen wird, denn viele Pioniere arbeiten mit umweltschädlichem Plastik. Auch wird sich in dieser Industrie bald ein Kopierschutz auf ganze Pläne oder auf einzelne Teile entwickeln, der eine freie Exploration der neuen Möglichkeiten schnell einschränkt.

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