Binge Watching

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Sechs Staffeln zu jeweils zehn Episoden und dazwischen lediglich 15 Sekunden Zeit um abzuschalten bevor die nächste Folge beginnt, das ist der Teufelskreis namens „Game Of Thrones“.

Doch nicht nur „Game of Thrones“ wird von vielen Menschen in marathonartigen Streaming Sessions angesehen. Viele andere, wie beispielsweise „The Big Bang Theory“, „Gilmore Girls“, oder „House of Cards“ werden auf eine Art und Weise konsumiert, für die mittlerweile der Begriff „binge-watching“ verwendet wird.

Unter „binge-watching“, „binge-viewing“ oder auch „marathon-viewing“ versteht man das Betrachten mehrerer Episoden einer Fernsehserie in rascher Folge, typischerweise auf DVD oder per Online-Streamingdienst. Es gibt zwar keine festgelegten Ausstrahlungszeiten wie bei üblichen TV-Sendern, dafür aber ein reiches Angebot an Serien und Filmen. Online-Streaminganbieter wie Netflix, Amazon Prime und Co, beliefern Kundinnen rund um die Uhr mit einem vielfältigen Entertainment-Angebot. Zudem schlagen sie auch noch ähnliche Inhalte vor, um ihre Kundinnen zum Weitersehen zu ermutigen. Da fällt es schwer Nein zu sagen.

Dieses nicht Nein sagen können, zeichnet das binge-watching auch aus. Der Begriff leitet sich von den englischen Worten für „Exzess“ und „Sehen“ ab und wird auch oft mit dem Begriff des Serienmarathons in Verbindung gebracht. Ein Marathon, der weder mit Sport noch Gesundheit zu tun hat. Menschen sitzen stundenlang, meist auch noch essend, vor dem Fernseher, ohne sich auch nur einen Zentimeter vom Fleck zu bewegen.

„Laut Netflix empfinden viele Zuseher das Betrachten mehrerer Episoden einer Serie auf einmal als angenehmer und unterhaltsamer, als lediglich eine einzige Folge zu sehen.“

Blickt man in die Vergangenheit zurück, erkennt man, obwohl wir nun schon seit über 80 Jahren das Fernsehen nicht mehr missen möchten, hat sich durch das Internet unser Konsum desselben in den letzten Jahren gewandelt. In den Anfangsjahren des Mediums traf man sich oftmals mit der Familie oder auch den Nachbarinnen, um die Tagesnachrichten oder ein Sportereignis auf dem Fernsehschirm zu verfolgen, da nicht jeder von Beginn an ein Fernsehgerät besaß. Heutzutage kann man nicht nur zu jeder Zeit aus einem immer größer werdendem Angebot auswählen, sondern dies auch überall tun. Egal ob unterwegs am Tablet, zu Hause am Laptop oder in der Straßenbahn am Smartphone – Fernsehen funktioniert heute fast überall. Obwohl sich die Art des Konsums und vor allem aber die Inhalte stark verändert haben, bleibt jedoch seit Beginn des Fernsehkonsums eines gleich – die Begeisterung für dieses Medium.

Dieser „Hype“ geht sogar so weit, dass ganze Freundesgruppen sich in heimischen Wohnzimmern treffen, um die neuesten Informationen oder – in den letzten Jahren immer beliebter, die neueste Folge einer Hitserie anzusehen. Noch eine Steigerung ist das Public Viewing, wo nicht nur Freunde und Bekannte sich dem Medienkonsum ergeben, sondern Gleichgesinnte aus der gesamten Umgebung sich an einem Ort versammeln um ja keine Folge oder ein Event zu verpassen. Ein wenig kurios erscheint dieses Public Viewing, wenn man über die originale Verwendung des Begriffs im Englischen nachdenkt. Der Begriff bezieht sich ursprünglich ebenfalls auf ein Zusammenkommen von Menschen, allerdings um einem lieben Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen.

Binge-watching geht mit typischen Verhaltensmustern einher, zu denen zum einen das „Nicht-Aufhören-Können“ und das mit dem Begriff „Spoiler“ beschriebene Verraten von Inhalten gehören. Wird eine neue Serie begonnen, hört man tendenziell nicht nach der Episode auf, selbst wenn die Serie einen noch nicht zu hundert Prozent anspricht. Nach zwei bis drei Episoden, die man ansieht um „reinzukommen“, also um die Charaktere und deren Lebensumstände besser kennenzulernen, wurde dann schon zu viel Zeit investiert um noch einfach aufhören zu können. Die Charaktere werden zu diesem Zeitpunkt für viele Menschen zu Bezugspersonen und nahezu wie Freunde betrachtet. Dadurch bringen es viele Menschen nicht übers Herz, einfach mittendrinnen aufzuhören. Man will ja doch wissen wie es ausgeht, auch um mit seinen Freunden mitreden zu können.

Das zweite Phänomen der Spoiler steht im direkten Bezug zum „Nicht-Aufhören-Können“. Die Haupt-Attraktivität der Streaming-Dienste ist die Möglichkeit ganze Staffeln einer Serie auf einmal sehen zu können, ohne jeweils eine Woche auf die nächste Episode warten zu müssen, wie im regulären Fernsehprogramm. Haben Freunde also einmal mehr Zeit als man selbst, die neueste Folge zu sehen, kann es vorkommen, dass diese Inhalte daraus verraten werden und so die Vorfreude auf die neue Episode ruinieren (engl. Spoil).

Laut einer Studie von Netflix gaben 61% ihrer Userinnen an, dass sie regelmäßiges binge-watching betreiben. Die Gründe dafür erscheinen oftmals auf der Hand zu liegen: Menschen wollen aus ihrem Alltag entfliehen und betrachten das binge-watching als Rückzugsmöglichkeit aus ihrem hektischen Leben. Laut Netflix empfinden viele Zuseher das Betrachten mehrerer Episoden einer Serie auf einmal als angenehmer und unterhaltsamer, als lediglich eine einzige Folge zu sehen. Die Entspannung, die bei vielen Menschen einhergeht, kann auch wissenschaftlich belegt werden; Hierbei wird die rechte Gehirnhälfte verwendet, die für Emotionen und Kreativität zuständig ist und Endorphine ausschüttet. Beenden wir jedoch einen Serienmarathon fühlen wir uns oft leer, da die Ausschüttung des Glückshormons gestoppt wird und wir plötzlich wieder auf den Boden der Realität zurückkehren.

Menschen haben Spaß, wenn sie die gesamte Staffel einer Serie innerhalb einer Woche oder gar an eInem Tag ansehen. Doch das Phänomen „binge watching“ hat durchaus handfeste Konsequenzen. Im Gegensatz zu Drogen- oder Alkoholmissbrauch sind die körperlichen Folgen nicht so offensichtlich. Wer jedoch täglich mehr als drei Stunden fernsieht, hat aufgrund der Bewegungsarmut eine doppelt so hohe Sterblichkeitsrate wie Personen, die nur eine Stunde täglich vor dem Fernseher verbringen.

Um ein frühzeitiges Ableben, ausgelöst durch binge-watching, das mit unkontrolliertem Essen vor dem Fernseher und zu wenig Bewegung einhergeht, entgegenzusteuern, empfiehlt es sich, das Nützliche mit dem Erfreulichen zu verbinden. Einfach mal im Fitnessstudio binge-watchen. Während einer Stunde auf dem Laufband oder dem Crosstrainer können durchschnittlich drei Episoden einer Comedy-Serie oder eineinhalb Folgen einer Drama-Serie angesehen werden.

Vielleicht ist es aber gar nicht das binge-watching selbst, das unsere Realität beeinflusst, sondern unsere heutige Realität die das binge-watching bewirkt. Sozusagen binge-watching als Ausdruck einer Leere, die uns dazu verleitet, ständig Medieninhalte zu konsumieren.

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