How to build a massive Shitstorm

Hans-Peter Leithinger

Shitstorms sind in aller Munde! Sie wollen auch auf den Erfolgszug aufspringen? Befolgen Sie folgende 5 Punkte und die Webgemeinde erledigt den Rest für Sie!

1. Ignoriere dein Bild in der Öffentlichkeit! Sei möglichst ignorant gegenüber der Wahrnehmung deiner Marke oder deiner Person.

Warum ist dies wirksam? Hier ein Beispiel!

Das New York Police Department forderte im April 2014 die Bevölkerung auf, via Twitter Fotos zu posten, welche sie mit den Freunden und Helfern des NYPD darstellt. Womit die New Yorker Polizei nicht gerechnet hatte: Der vorgeschlagene Hashtag #myNYPD wurde völlig anders verwendet, als es von der Behörde vorgesehen wurde: Der Großteil der Postings enthielt Bilder, auf denen Gewalt von Polizisten gegenüber Zivilisten dargestellt wurde. Der Hashtag wurde somit zum “Bashtag” für das Department.
Das NYPD hat den entscheidenden, strategischen Fehler begangen, der langanhaltenden Kritik am größten Polizeidienst der USA eine große Plattform zu geben. Da man via Twitter keine Kontrolle über einen Hashtag hat, sondern diesen lediglich vorschlagen kann, fehlt der Behörde auch jegliche Macht, ungewollte Inhalte zu blockieren. Soziale Medien werden laut Sprechern des NYPD allerdings nicht verteufelt – man will versuchen neue Wege zu finden, die eher für den Zweck geeignet sind.

NYPD/Twitter

2. Überrasche die Netzgemeinde mit einem interaktiven Element! Erhöhe die Spannung, indem du während des Wettbewerbs die Regeln änderst!

Wer hat es erfolgreich vorgemacht? Folgender Spülmittelkonzern!

Der Geschirrspülmittelhersteller Pril hielt es für eine gute Idee, virales Marketing zu nutzen, um Bekanntheit und Verkaufszahlen zu steigern. So weit so gut. Ein Wettbewerb, bei dem der Pril-Community völlige Freiheit bei der Gestaltung eines Flaschendesigns gegeben wird, wurde aufgesetzt. Die Wahl des Siegers wurde per Online-Voting ermittelt. Eine “Pril-Community” existiert im Internet natürlich nicht wirklich. Das führte dazu, dass sich jeder, dem es egal ist, mit welcher Marke er sein Geschirr spült, als Flaschendesigner versuchen durfte. Wer nicht versteht, woran ein solches Vorhaben scheitern kann, hat noch nie die Silhouette eines männlichen Geschlechts an einer öffentlich zugänglichen Hausfassade betrachtet.
Dies – kombiniert mit dem öffentlichen Voting – hat dazu geführt, dass die vermeintlichen Siegerdesigns nicht wirklich dem Unternehmensbild entsprachen. Die Ergebnisse wurden also so manipuliert, dass Pril mit der Auswahl zufrieden war. Die teilnehmenden Personen fühlten sich unweigerlich an der Nase herumgeführt. Via Facebook und Twitter verbreitete sich die Kunde vom unfairen Wettbewerb. Ein Shitstorm war geboren.

Pril/Community

3. Rede in der Öffentlichkeit abfällig über Themen, die du oder dein Unternehmen bewusst ausklammert!

Selbst der erfolgreichste österreichische Radiosender Ö3 ist vor Häme im Umgang mit der Öffentlichkeit nicht gefeit.

Folgendes hat sich zugetragen: Eine bekannte Moderatorin des Senders erzählte in einem Interview mit dem offenen Wiener Fernsehkanal Okto TV eine Geschichte, in der es im Kern darum ging, dass eine Band ihre Platte beim Sender vorstellen wollte. Um dies zu tun, wurde in einem dafür vorgesehen Raum geprobt, die Tür stand offen. Der “Lärm” störte die Moderatorin  beim Arbeiten. Diese lief wutentbrannt zum Proberaum, gab der Band Bescheid sie sollen sich doch leiser verhalten. Daraufhin schlug sie hinter sich die Tür zu und bewegte sich auf ihren Arbeitsplatz zurück. Es sollte sich später herausstellen, dass es sich bei dieser Band um die recht erfolgreichen “Imagine Dragons” handelte. Sie rechtfertigte sich damit, dass sie wohl dachte, es handle sich um eine Band aus Österreich, von der nur Musik zu erwarten sei, die der Sender ohnehin nicht spielen würde.

Dieses Verhalten wurde ihr zum “Social Media”-Verhängnis. Die österreichische Musikszene, die sich von Ö3 ohnehin eher vernachlässigt sieht, war empört und sah dieses Interview als Beweis für den respektlosen Umgang, der ihr vom größten österreichischen Radiosender entgegengebracht wird. Ö3 distanzierte sich umgehend in einer Pressekonferenz von den Aussagen der Moderatorin mit den Worten “Ö3 denkt nicht so!”. Aus dem Skandal entwickelten sich allerdings keine, für die Öffentlichkeit sichtbaren, personellen Folgen. Unabhängig davon, was sie mit dieser Geschichte eigentlich erzählen wollte oder in welchem Kontext dieses Interview gehalten wurde, steht dieser kurze Ausschnitt für die Gefahr, in die man sich begibt, wenn man die oben genannte dritte Regel befolgt. Weiters wird mit diesem Beispiel klar, dass man als Unternehmen gar nicht bewusst in solche Fallen tappen muss. Es reicht, wenn es Personen für einen erledigen, die mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht werden.

Österreichische Pionierarbeit, von der die Hauptakteurin bis heute zehrt: Ö3/Österreichische Musik

4. Verstehe Social Media Marketing als etwas, dass dein medienaffiner Praktikant für dich erledigt!

Wenig Erfahrung führt auf diesem Gebiet zu den instinktiv richtigen Entscheidungen:

Wenn ein Unternehmen ihren Social Media Managern wenig inhaltliche Vorgaben gibt und diese in sozialen Netzwerken mit weitreichenden Berechtigungen versieht, besteht ein großes Gefahrenpotenzial, dass Postings veröffentlicht werden, die nicht unbedingt die gewünschte Unternehmenskultur widerspiegeln.
So zum Beispiel: wenn Samsung via Twitter Werbemeldungen teilt, die für alle sichtbar von einem iPhone geschrieben wurden; wenn ein US-Unternehmen Bilderrätsel mit rassistischen oder sexistischen Untertönen postet; politische Nachrichten über einen ansonsten unpolitischen Kanal verbreitet werden – dann sind Amateure am Werk. Social Media Marketing ist nichts, was jedem der mit Technik aufgewachsen ist, automatisch in die Wiege gelegt wurde. Ein “Digital Native” zu sein bedeutet, dass der Umgang mit Anwendungsumgebungen leicht von der Hand geht – es bedeutet allerdings nicht, dass man weiß, wie Öffentlichkeitsarbeit funktioniert. Eine umfassende Social-Media-Strategie ist nicht durch gut gemeinte oder gewitzte Beiträge zu ersetzen. Diese Lektion haben viele Unternehmen lernen müssen und viele werden noch in diese Falle tappen.

Social Media Marketing Fails

5. Nimm nicht an einer öffentlichen Debatte teil, welche sich kritisch mit deinem Produkt / Unternehmen befasst!

Die Frage, was das Unternehmen verbessern kann, führt hier zu einer regen Diskussion. Aufmerksamkeit ist alles, oder, Oder, ODER?

“We hope you had a fantastic New Year. Do you have any resolutions and what would you like to see us do more of this year?”

Dieser vermeintlich harmlose Satz brachte Volkswagen Anfang 2012 in ziemliche Bedrängnis. Was sich die Marketingabteilung erhofft hat: Input darüber, was sich der Kunde von VW erwartet. Was das Marketing bekommen hat: Sarkastische Kommentare zur Umweltpolitik des Unternehmens. Im ersten Beispiel wurde uns klar, dass solch unkontrollierte Fragestellungen an die Netzgemeinde eine riskante Angelegenheit sind. Volkswagen hat allerdings einen weiteren Fehler begangen, welcher den Shitstorm noch weiter beflügelte. Es wurde nicht auf die Kritik der Nutzer reagiert. Alle Kommentare wurden schlicht ignoriert. Es fand keinerlei Moderation der Debatte statt. Tausende Kommentare, die von Kritik in regelrechten Hohn gegenüber dem Unternehmen umschlugen, wurden nicht beachtet (“If you really are the makers of the ‘People’s Car’, best you start listening to all the people above“). Das Chaos war perfekt. Dies wurde umgehend von Greenpeace genutzt, welche aus diesem Shitstorm eine eigene Kampagne gegen VW starteten und Webvideos produzierten, welche an Werbespots des Konzerns angelehnt waren.

VW/Facebook

Was also tun?

Das Web 2.0 hat viele Tücken, bietet aber auch viele Möglichkeiten für den Konsumenten sich gegen Missstände zu wehren. Wenn man als Unternehmen die Aussagen aus den oben genannten Punkten strikt befolgt, hat man somit die Möglichkeit einen Shitstorm auf sich zu ziehen, der alle hier erwähnten Beispiele in den Schatten stellt. Ecken Sie an, überraschen Sie mit schwammigen Regeln und Geschäftsbedingungen, geben Sie dem anonymen Nutzer große Freiheiten und entlohnen Sie Teilnahme und Interesse mit Ignoranz. Lassen Sie das Ganze von Personen durchführen, welche im Grunde wenig bis nichts mit Marketing zu tun haben und die Aufmerksamkeit der Webgemeinde wird bei Ihnen sein!

Hans-Peter LeithingerHow to build a massive Shitstorm

Ähnliche Artikel

Join the conversation